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KommentarDie Berliner halten Wowereit aus

Antje Lang-Lendorff
Kommentar von Antje Lang-Lendorff

Für viele Berliner ist klar: Es gibt Wichtigeres im Leben als einen Großflughafen, der auf sich warten lässt.

D er Ausbau der Infrastruktur sei von zentraler Bedeutung, verkündeten die rot-schwarzen Koalitionäre noch Anfang des Jahres. Wenige Monate später legten sie mit dem Großflughafen eine Bruchlandung hin. Die Kosten, ursprünglich 2,5 Milliarden Euro, werden inzwischen auf über 4 Milliarden Euro geschätzt. Der neue Eröffnungstermin im März 2013 wackelt auch schon wieder. Der BER ist zum Synonym für Missmanagement geworden. Eine Lachnummer. Und was macht Klaus Wowereit, Chef des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft? Er sitzt das Ganze erfolgreich aus. Kaum jemand fordert ernsthaft seinen Rücktritt. Und wenn doch, dann so leise, dass man es nicht hört.

Das liegt an einer in Berlin weit verbreiteten Wurschtigkeit, die bereits beim S-Bahn-Chaos zu beobachten war. Positiv gewendet könnte man von einer gewissen Lässigkeit sprechen: Es gibt Wichtigeres im Leben als einen pünktlichen Zug. Oder einen Großflughafen, der auf sich warten lässt. Selbst wenn der Eröffnungstermin in ein paar Wochen noch mal verschoben werden muss: Die Leute würden angesichts von so viel Unprofessionalität kurz auflachen. Und dann weitermachen wie bisher.

Wenn es ums Geld geht, müssten die Berlinerinnen und Berliner eigentlich sauer werden. Doch der Schuldenberg des Landes ist mit 60 Milliarden Euro eh schon so unfassbar hoch – da macht sich die eine Milliarde mehr auch nicht mehr bemerkbar, so eine verbreitete Haltung. Zudem weiß jeder, dass große öffentliche Bauvorhaben immer teurer werden als geplant.

Dass Wowereit seine Arbeit im Aufsichtrat schlampig gemacht hat – keine Frage. Aber schlampig sind die Berliner auch. Insofern trifft der Regierende auf ein gewisses Verständnis. Nach wie vor ist Wowereit für viele der lockere, schlagfertige Typ, der Berlin mit seiner freundlich-arroganten Schnoddrigkeit ganz gut repräsentiert. Man nimmt ihm seine Nachlässigkeit offenbar nur ein kleines bisschen übel: Nach der letzten Umfrage steht er nicht mehr an erster, sondern an dritter Stelle der Beliebtheitsskala.

So erstaunlich es ist: Wenn Wowereit die Nerven behält und keine großen Fehler macht – etwa einem Chefredakteur Drohungen auf die Mailbox quatscht –, kann er trotz des Flughafen-Debakels noch eine Weile im Roten Rathaus bleiben.

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Antje Lang-Lendorff
wochentaz
Teamleiterin Gesellschaft in der wochentaz. Seit 2007 fest bei der taz, zunächst im Berlin-Teil, dann in der Wochenend-Redaktion. Schwerpunkte: Soziales und Reportage.
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6 Kommentare

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  • H
    Hans

    @Paul

    Ich will hier nicht agitatorisch gegen das chinesische Volk werden, doch ich muss eins klar stellen bezüglich Ihres Kontextes.

     

    Die Chinesen schaffen das (oder so ähnlich), weil Sie..

    a)keine Demokratie sind und somit keine demokratischen Hürden haben (z.B. Volk, Parlament, etc.)

    b)weil sie bezogen auf Sicherheit und Anforderungen deutlich unbürokratischer sind (was nicht immer ein Vorteil ist, denn wenn das Ding dann zusammenbricht und Hunderte sterben kräht da kein Hahn danach)

    c)die chinesischen Arbeitskräfte, die das bauen, hungerentlohnte Wanderarbeiter sind

    d)weil Ihnen Umwelt und Anwohner einfach mal piepen egal sind und wenn die Stören, werden umgesiedelt oder verschwinden

     

    Da muss ich leider sagen, dass mir die deutschen verhältnisse noch lieber sind, wobei ich sie auch nicht gut heiße.

  • P
    Paul

    Stuttgart 21

    Hamburger Philharmonie

    BND-Zentrale Berlin

    Transrapid München

    Jade-Weser-Port

    S-Bahn Berlin

    ICE-Technik

    A380-Probleme

    BER-Flughafen...

     

    Und demnächst dann

    A100-Verlängerung

    Berliner Stadtschloß, dessen Kosten ebenfalls was machen werden? Genau:E X P L O D I E R E N!

     

    Und dann so ein Satz:"Es gibt Wichtigeres im Leben als einen pünktlichen Zug. Oder einen Großflughafen, der auf sich warten lässt."

    Also ich kann einen Unterschied erkennen zwischen einem zu vernachlassigendem verspäteten Zug und einem falsch geplanten und falsch gebauten Flughafenprojekt von 4 Mrd. Kosten.

    Sowas wie BER bauen die Chinesen jedes Jahr einmal. Nebenbei schaffen die noch hunderte Autobahnkilometer, Hochgeschwindigkeitstrassen plus funktionierende Züge, hunderttausende Wohnungen... Und weil sie noch Zeit hatten, haben sie neben der permanenten Aufrüstung gleich auch noch eine bemannte Raumstation in den Kosmos geschossen.

     

    Und Deutschland redet über einen im Grunde einfachen Flugplatz mit zwei Startbahnen und etwas Infrastruktur.

     

    Hier müßte mal gefragt werden:Sind die ingenieurtechnischen Fähigkeiten der Deutschen irgendwann versackt? Oder sind es "nur" die politischen Fähigkeiten zur Entscheidung und Kontrolle? Oder ist es in diesen Zeiten nicht mehr möglich im Interesse gemeinsamer großer Projekte zusammenzuarbeiten? Nur noch mehr oder weniger privater Egoismus. Der Bund zahlt ja doch... Ob die wirklichen Baukosten jemals publiziert werden? Und wie es wohl mit den notwendigen Nacharbeiten aussehen wird?

     

    Wer hat eigentlich auf welcher Basis den März 2013 aus dem Ärmel gezaubert?

  • A
    anonymous

    ach, die taz ist auch nicht mehr, was sie mal wahr..

    ode rliegt's daran, wass wowi zu viele taz-aktion gekauft hat ?

  • H
    Hans

    Ich bin empört! Ich bin Berliner und es empört mich zu lesen, dass uns eh alles egal sein soll und wir es mit einem Kopfschütteln übersehen würden.

     

    Klar gibt es wichtigeres im Leben: Arbeit finden/Geld verdienen, bezahlbaren Wohnraum suchen, etc. Doch ich als Berliner bin entsetzt über die Zustände und noch mehr über diesen Kommentar.

     

    Es ist eher das Gefühl der Ohnmacht und die Überforderung mit dem vollen Alltag, was die Berliner dazu treibt, mit einer egalitäreren Haltung da ran zu gehen. Doch wo gibt es mehr Demos/Proteste, politische Bündnisse gegen die Politik als in Berlin (S-Bahn-Tisch, Wasser-Tisch, Volksbegehren...)

     

    Mir kann man nicht erzählen, dass uns das egal ist. Es sind schließlich auch meine Steuergelder, die da verpulvert werden. Und damit meine ich auch Sie, Herr Ansorge. Meine Steuergelder fließen in die Kassen von Land und Bund und mir ist egal, woher das Geld kommt, das verschwendet wird, weil es auch meine Steuergelder sind. Klar können sich die Ausbundesländer da auch ärgern, aber die haben andere Geldlöcher, wo die Politik versagt hat und das Geld einfach reingworfen wurde.

     

    Der ganze Aufsichtsrat gehört zur Rechenschaft gezogen, und alle Politiker darin an den Pranger, das meint neben Wowereit auch Platzeck und Ramsauer.

  • RA
    ralf ansorge

    ihr berliner könnt ganz entspannt sein ist ja nicht euer geld,kommt ja meist vom bund,aus der provinz,die von euch meist eher mitleidig belächelt wird.wenn b.all seine tolle kultur selbst finanzieren müßte wie andere bundesländer größtenteils,wäre bei euch schon lange das licht aus

  • L
    LIsa

    Das Wowereit alle seine politischen Missmanagementbaustellen einfach aussitzen kann, liegt auch an der erstaunlich verpennten Opposition im Abgeordnetenhaus, die bisher keine klare Rücktrittsforderung stellt.- Obwohl der immernoch - Herr Bürgermeister die Stadt nachhaltig ruiniert.