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KommentarSchöffen sind heute überflüssig

Laien an der Rechtssprechung zu beteiligen, ist eine Tradition, die nicht mehr in die heutige Zeit passt.

A ls im vorletzten Jahrhundert die Idee aufkam, Laien an der Rechtsprechung zu beteiligen, mag das eine gute Idee gewesen sein. Die Schöffen sollten die Obrigkeit kontrollieren, indem sie den zumeist adligen Richtern an die Seite gestellt wurden. Irgendwie hat sich diese Tradition aus der Aufklärung bis in die heutige Zeit gerettet, in die sie aber nicht mehr passt.

Schöffen sind normale Bürger, die sich entweder selbst gemeldet haben oder per Los ausgewählt und dann zwangsverpflichtet wurden. Es ist absurd, dass sie mit der gleichen Stimme wie die Berufsrichter über Schuld und Unschuld urteilen und die Höhe der Strafe festlegen dürfen, obwohl sie keinerlei juristische Kenntnisse haben müssen. Kein Wunder, dass Schöffen sich in Gerichtsverfahren immer mal wieder danebenbenehmen und Prozesse zum Platzen bringen.

Schöffen dösen vor sich hin

Das könnte man hinnehmen, wenn es einen Nutzen hätte. Der ist aber nicht erkennbar. In Gerichtsverfahren hat man als Zuschauer den Eindruck, dass die Richter die Hauptarbeit übernehmen, dass sie die Zeugen ausführlich befragen, an der Wahrheitsfindung interessiert sind und große Kenntnis der Rechtslage haben. Die Schöffen dösen meist vor sich hin.

Die Kontrolle der Gerichte übernehmen heute Medien, Blogs und im Zweifel die nächste Instanz – die übrigens ab den Oberlandesgerichten auch ganz ohne Schöffen auskommt. Wenn es wirklich die gleichberechtigte Mitarbeit von Laien zur Kontrolle des Staates bräuchte, dann müsste man auch zwei ausgeloste Bürger neben jeden Finanzbeamten, Amtsarzt, Minister, Botschafter und Universitätsprofessor setzen.

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17 Kommentare

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  • LC
    Lara Croft

    Ich bin vollkommen anderer Meinung als der taz-Autor.

     

    LeienrichterInnen (Schöffen) sollen bleiben. Denn die Experten -RichterInnen fällen zu gut einem Viertel Fehlurteile, das war kürzlich einer TV-Reportage über Justizirrtümer zu entnehmen, in der unschuldig Verurteilte vorgestellt wurden, die zum Teil viele Jahre unschuldig hinter Gittern saßen.

     

    Allerdings: Schöffen müssen endlich angemessen bezahlt werden für ihre sehr wichtige Arbeit. Dann wird es z.B. in Berlin auch keine Schwierigkeiten mehr geben Schöffen zu finden.

     

    Es ist erstens nicht mehr zeitgemäß, Leute dazu zu zwingen, als Schöffe tätig zu sein. Zweitens ist es nicht zeitgemäß und völlig unanständig, Leute diese gesellschaftlich sehr wichtige Arbeit unbezahlt machen zu lassen. Währedn die Profi-RichterInnen exorbitant und sehr gut bezahlt werden.

  • L
    lowandorder

    Lost in translation? 2.0

     

    Auhauerha - wenn der Blinde von der Farbe spricht.

     

    "…Das könnte man hinnehmen, wenn es einen Nutzen hätte. Der ist aber nicht erkennbar…" - so halt.

     

    So reden/ten durchaus auch Kollegen.

    Und denen habe ich - wie auch jetzt nach 30 Jahen an drei verschiedenen Gerichten einschl. Obergericht - gesagt,

    ja ich weiß, die ehrenamtlichen Richter können schon mal lästig sein;

    aber ich halte es für ausgesprochen heilsam und auch zielführend,

    wenn frauman als Profi gezwungen ist, die rechtlichen Lösungen für

    komplexe Lebenssachverhalte Laien verständlich und überzeugend nachvoll-

    ziehbar zu machen.

    Es hat mich immer wieder verblüfft, wie " Nichtüberstudierte"

    mit einfachen Fragen Falllösungen einer erneuten Überprüfung zugeführt

    haben, weil es doch nicht so " plan as plan can be" war.

    Aufgrund ihrer anderen - und häufig ja auch längeren - Lebenserfahrung

    haben bzw entwickeln sie durchweg ein gutes, eigenständiges Judiz.

     

    Als kleine historische Stilblüte sei noch angemerkt, daß sich die " Beiordnung"

    ehrenamtlicher Richter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit seine

    Begründung darin findet, daß man annahm, nur Profis

    als Richter würden die Verwaltung zu scharf kontrollieren.

  • M
    Marco

    Schöffen sind eine Form der demokratischen Beteiligung an der Rechtsprechung; und bilden so einen Schutzmechanismus vor einer Staatsjustiz.

  • RB
    Rainer B.

    Überflüssig sind nur die Schöffen, die auf eine eigene Meinung verzichten und alles abnicken, was ein Richter so vorgeurteilt hat, um schneller fertig zu werden.

     

    Ein Studium bzw. ein akademischer Grad ist kein Garant für ein gutes Urteilsvermögen und ausreichende Lebenserfahrung in möglichst vielen Bereichen unserer Gesellschaft. Richter und Schöffen können sich da wunderbar ergänzen, wie z.B. der Kommentar von Bernd Goldammer zeigt. Gute Schöffen und gute Richter lernen voneinander gegenseitig, was nicht heißt, dass sie immer einer Meinung sein müssen.

     

    Schöffen können ein Gegengewicht bilden, gegen zunehmende Tendenzen zum Deal und damit verbundener Klassenjustiz. Dazu müssen sie aber viel öfter mal "stören" und dürfen nicht nur untergeordnete Gehilfen sein.

  • KW
    Karl Wernerster

    Die meisten Mitstreiter haben hier bereits das Wesentliche zu diesem Artikel gesagt. Kommentierend möchte ich noch hinzufügen, dass man sich als "Journalist" schon vorher ein wenig kundig machen sollte, bevor man solchen Unsinn schreibt. Insbesondere dass hier die Tatsache ausgeblendet wird, dass bei diesem Vorgang ja auch die Presse nicht grad eine blendende Rolle gespielt hat, lässt einen innerlich die Augen verdrehen. Herr Heiser sollte seine Tätigkeit in Zukunft wieder auf die Beschreibung des kreuzberger Lokalkolorits beschränken.

  • S
    Sebastian73

    Dieser Artikel ist so ziemlich das Schlimmste, was ich seit Jahren in einer Zeitung lesen musste. Der Verfasser hat nicht die geringste Ahnung, wovon er schreibt, wofür Schöffen da sind und welche Bedeutung sie für die Justiz haben. Geradezu lächerlich ist der Verweis auf die Obergerichte, die ja auch ohne Schöffen auskömmen würden. Diese Obergerichte allerdings haben keine Sachfragen mehr zu klären, sondern nur noch Rechtsfragen. Die Schöffen jedoch sind tätig in den Instanzen, die Sachaufklärung betreiben. Der Verweis auf Obergerichte ist daher geradezu ein journalistisches Armutszeugnis. Geradezu lächerlich auch der Verweis darauf, dass neue Medien die Rolle von Schöffen übernehmen würden. Wobei denn? Beim Aufklären konkreter Sachverhalte? Gott behüte, dass Richter anfangen, zur Sachverhaltsaufklärung die meinung von Bloggern über ihren Fall im Internet zu recherchieren.

  • T
    tenzin

    Der Kommentator schreibt zwar sehr selbstbewusst - aber leider ohne jegliche Sachkenntnis. Tatsächlich hatte das Schöffenamt nicht das Geringste mit "Kontrolle adeliger Richter" zu tun. Vielmehr stammt es noch aus germanischer und fränkischer Tradition und ist somit mehrere Jahrhunderte älter.

     

    Ebenfalls ist es Unsinn, dass die meisten Schöffen einfach nur vor sich hindösten. Richtig ist, dass die Rechtslage den Schöffen _ausdrücklich_ vorschreibt, dass sie nur das bewerten dürfen, was mündlich im Gerichtssaal vorgetragen wurde. Akteneinsicht ist ihnen _ausdrücklich_ untersagt und würde zum sofortigen Abbruch des Prozesses führen. Somit ergibt sich von selbst, dass während des gesamten Prozesses Aufmerksamkeit angesagt ist.

     

    Kleiner Tipp an den Autor: Zuewrst sachkundig machen - dann schreiben.

  • L
    lowandorder

    Auhauerha - wenn der Blinde von der Farbe spricht.

     

    "…Das könnte man hinnehmen, wenn es einen Nutzen hätte. Der ist aber nicht erkennbar…" - so halt.

     

    So reden/ten durchaus auch Kollegen.

    Und denen habe ich - wie auch jetzt nach 30 Jahen an drei verschiedenen Gerichten einschl. Obergericht - gesagt,

    ja ich weiß, die ehrenamtlichen Richter können schon mal lästig sein;

    aber ich halte es für ausgesprochen heilsam und auch zielführend,

    wenn frauman als Profi gezwungen ist, die rechtlichen Lösungen für

    komplexe Lebenssachverhalte Laien verständlich und überzeugend nachvoll-

    ziehbar zu machen.

    Es hat mich immer wieder verblüfft, wie " Nichtüberstudierte"

    mit einfachen Fragen Falllösungen einer erneuten Überprüfung zugeführt

    haben, weil es doch nicht so " plan as plan can be" war.

    Aufgrund ihrer anderen - und häufig ja auch längeren - Lebenserfahrung

    haben bzw entwickeln sie durchweg ein gutes, eigenständiges Judiz.

     

    Als kleine historische Stilblüte sei noch angemerkt, daß sich die " Beiordnung"

    ehrenamtlicher Richter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit seine

    Begründung darin findet, daß man annahm, nur Profis

    als Richter würden die Verwaltung zu scharf kontrollieren.

  • P
    Picho

    Etwas "Gesunder Menschenverstand" oder "Bodenhaftung" kann durchaus nicht schaden.

    War selber Schöffe, meistens waren es Verkehrssachen, wo "common sense" durchaus nützlich war.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Auch Laienrichter sollten dem Richterkollegium angehören.

  • DW
    Detlef Wulff

    Im Namen des Volkes .. und wir sind das Volk ...

     

    In Amerika hat der Richter die Aufgabe, die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu überwachen. Das Urteil bei den Geschworenengerichten spricht das Volk, die Geschworenen, die vom Volk berufen werden. Sie müssen weder eine juristische Ausbildung haben, noch müssen sie akademische Grade besitzen; sie kommen quer aus allen Schichten des Volkes (vgl. Film: "Die zwölf Geschworenen"). Natürlich wird auch hier Befangenheit geprüft und wegen Befangenheit werden Geschworenen auch abgelehnt. Diesem System kann ich dennoch eine Menge abgewinnen.

     

    Wenn die "Gewaltenteilung" in Deutschland nicht mehr funktionieren würde, wäre die Justiz schnell Handlanger der Exekutive. Und auch Medien sind eher "Meinungsmacher" statt objektive Berichterstatter in Prozessen, sonst würde ja ein Medienvertreter ausreichen.

     

    Recht und Gerechtigkeit sind zweierlei und ein gesundes "Rechtsempfinden" hat nichts mit Willkür zu tun. Es hat auch nicht seinen Grund in juristischem KNOW HOW oder juristischer Kompetenz, gehört aber zu Gerichtsverfahren.

  • B
    Brot

    Unsinn, Deutschland braucht die Schöffen! Gerade geschwätzige Schöffen sind wichtig, denn die verbreiten, was wirklich in deutschen Gerichten abgeht. Die Schöffen schmälern täglich das Ansehen der Justiz durch Berichterstattung über Richter und Staatsanwälte und leisten damit einen unschätzbaren Beitrag zur Demokratie.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Ich war Jugendschöffe. Fünf Jahre lang, von 1990 bis 1995. Es war eine Zeit, die ich nicht missen möchte und auch ich habe es weder Richtern noch Staatsanwälten leicht gemacht. Sie haben mir aber trotzdem vieles beigebracht. Diese Zeit hat mein Gefühl für Gerechtigkeit geschärft. Selten haben damals die Beweise für eine Verurteilung im Sinne der Staatsanwälte ausgereicht, es wurde um vernünftige Kompromisse gerungen. Facettenreiche Lebenserfahrung stand gegen hohe juristische Kompetenz. Aber wenn es um Menschenschicksale geht, müssen wir es uns schwer machen. Beweise müssen klar sein, denn im Zweifel muss man sich immer für den Angeklagten einsetzen! Denn der kann sich aus der U-Haft heraus nur sehr schlecht verteidigen. Uns ging es nie nur um die Strafe. Verderblicher für die Rechtsstaatlichkeit ist eher das allgemein übliche Dealen mit den Angeklagten. So mancher Strafverteidiger ist der Meinung, dass besonders bei Langzeitstrafen viele Angeklagte unschuldig verurteilt wurden und ihnen Geständnisse gegen Strafverkürzung abgehandelt wurden. Man nutzt ihre Verzweiflung aus. Ich wünsche mir schon deshalb noch vielmehr hinterfragende Schöffen aus unterschiedlichsten Milieus. Nur wenn ein Urteil auch auf der Gefühlsebene verständlich ist, kann Rechtsfrieden dauerhaft Bestand haben. Sonst könnten wir auch die Juristen durch PSs ersetzen, die Vorwürfe, Beweise, Indizien gegeneinander aufrechnen.

  • J
    Jurist

    Das kann man auch anders sehen. Schöffen bringen oft Erfahrungen und Gespür für Gerechtigkeit in die Verfahren ein. Nur Juristen unter sich machen zwar formal alles richtig, verhandeln aber manchmal ziemlich an der Realität vorbei. Und in Arbeitsgerichtlichen Verfahren sind sie so nützlich, dass wohl keiner die Abschaffung fordert. Und Richter machen genauso oft Mist oder sind befangen, nur kommt es nicht so oft raus.

  • B
    Bitbändiger

    Noch überflüssiger als (nach Ihrer Meinung) Laienrichter, lieber Sebastian Heiser, ist dieser Ihr Artikel. Wo ist Ihr Problem?

     

    Es geht ja nicht um das spektakuläre US-Justizsystem, in dem das Wesentliche eines jeden Urteils ausschließlich von "Volkes Stimme" bestimmt wird mit der Folge, dass die Juristen der Parteien mit allen Schattierungen der Demagogik bemüht sind, um jeden Preis zu gewinnen.

     

    Nach meiner Erfahrung neigen Juristen häufig zu weltfremder Korinthenkackerei im Elfenbeinturm. Schlimm genug, dass dies vor allem die Möchtegern-Leuchttürme der Jurisprudenz in den höheren Instanzen betrifft; in den Erstinstanzen, in denen in der Beweisaufnahme zumeist noch "Zivilisten" auftreten, ist ein Korrektiv mit "gesundem Menschenverstand" durchaus förderlich.

     

    Zweifellos gibt es Laienrichter, die ihre Einsätze einfach absitzen. Ließe sich aber immerhin per Auswahl regeln - bei absitzenden Berufsrichtern geht das nicht.

  • SS
    stefan seither

    Finde ich auch.

  • PM
    Peter Müller

    Das schlimme ist doch, daß Vertreter der Taz die ersten wären, die wenn es seit 150 Jahren ausschließlich Berufsrichter geben würde, ein wenig mehr Bürgerbeteiligung einfordern würden.

    Wie kann man so kurzsichtig sein und diesen Wertungswiderspruch in dem Statement dort oben übersehen?