■ Kommentar: Scheinheilig
Wenn es dem politischen Tagesgeschäft nutzt, erteilt die Bürgerschaft dem Rechnungshof gerne einen Heiligenschein. Dessen Äußerungen werden, so auch im „Fall Kunstinsel“, als „Ende der Debatte“ zur Debatte benutzt. Dabei hat sich der Rechnungshof gerade in Kulturdingen zuletzt ordentlich vertan. Seine Kritik an den Ausgaben der Staatstheater von 1994 sind wg. Absurdität längst vergessen.
Auch bei seinen jetzigen Vorwürfen an die Kulturbehörde war nicht die Frage, wie man das Museum am effektivsten baut, sondern ob jede haushaltspolitische Formalie eingehalten wurde, Ausgangspunkt der Untersuchung. Der Vorschlag der Behörde, alle beanstandeten Planungsänderungen vom Parlament absegnen zu lassen, hätte – die Mühlen der Demokratie mahlen langsam – enorme Mehrkosten durch lange Bauunterbrechungen verursacht. Und auch Vergleichszahlen – die Kunsthalle hat immerhin den günstigsten Quadratmeterpreis aller deutschen Museumsneubauten – oder Kostenerfahrungen aus der Bauwirtschaft werden ignoriert.
Wer sich nun diese Haltung zu eigen macht, um Kultursenatorin Christina Weiss anzukanten, der zeigt nur, daß es ihm nicht um haushaltspolitische Vernunft, sondern um taktisches Foulspiel geht. Wenn man den Senat unbedingt kritisieren will, dann doch bitte die Baubehörde, deren erste Kostenrechnung von 74 Millionen Mark von 1990 mit der Realität sehr wenig zu tun hatte. Damals hätte das Parlament „Skandal“ rufen dürfen.
Heute macht es sich eher lächerlich, wenn es plötzlich die Folgen seiner eigenen Beschlüsse bemerkt. Till Briegleb
Siehe Bericht unten
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