■ Kommentar: Debis fährt Schlitten
Die Wiederbelebung der Westtangente durch debis am Potsdamer Platz ist nicht nur die nachösterliche Auferstehung einer Untoten der Stadtplanung. Sie ist auch ein Lehrstück aus dem Werk „Wie Investoren mit der Verwaltung Schlitten fahren“. So war der Konzern schließlich an der Planung von Potsdamer Platz und Regierungsviertel beteiligt. Die Befürchtungen, die Bebauung werde den Autoverkehr anziehen und zum Dauerstau führen, wurden abgebügelt: Das sei alles durchgerechnet, hieß es. Jetzt entdecken die debis-Manager, daß die Autos, die in die Innenstadt fluten, sich vor ihrer Tür stauen. Dumm gelaufen! Jetzt muß man eben noch schnell eine weitere Autoschneise durch die Stadt schlagen. Merke: Erst bauen wir unser Riesenprojekt und dementieren alle Verkehrsprobleme – und wenn das Haus steht, bauen wir noch ein paar Straßen dazu.
Laut Senatsbeschluß soll das Auto in der Innenstadt nur noch 20 Prozent des Verkehrs ausmachen und der Durchgangsverkehr verschwinden. Die Voraussetzungen dafür hat der Senat bislang kaum geschaffen. Doch auch debis weiß, daß die Straße der falsche Weg ist. Denn eine Westtangente saugt weiteren Durchgangsverkehr an, unter dem die gesamte City leidet. Ähnlich wie bei dem leicht größenwahnsinnigen Projekt der Pre- Metro durch die Leipziger Straße heißt das debis-Motto: Um Gottes willen nicht die Autos behindern, den Nahverkehr verstecken und von der Allgemeinheit bezahlen lassen. Ohne es zu erwähnen, versetzt das Konzept der Westtangente außerdem den Verkehrsplänen des Masterplans den Todesstoß: Das Verhältnis von 80:20 zwischen ÖPNV und Autos ist schon jetzt utopisch. Mit der Westtangente ist es endgültig erledigt.
Daß debis fürchtet, seine hochbezahlten Manager könnten ihre wertvolle Zeit im Stau vertrödeln, ist verständlich. Doch wenn die Firma so innovativ wäre, wie sie vorgibt zu sein, würde sie andere Konzepte vorlegen: nicht für die Autoschneise nach Süden, sondern für die schnelle und bequeme Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Nahverkehr. Dafür würde es sich dann auch lohnen, mit dem Senat Schlitten zu fahren. Bernhard Pötter
Bericht Seite 22
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