■ Kommentar: Exhumiert Lenin
Seit der rote Riese, das Lenindenkmal, geschleift wurde, weigere ich mich, über den Platz der Vereinten Nationen zu fahren. Nostalgie? Na klar. Aber noch mehr. Der Platz ist kein Platz mehr. Statt des Granitkolosses plätschert ein Springbrünnlein wie auf dem Marktplatz in Oberstaufen/Allgäu. Die Fläche ist eine Zumutung und der Name „Platz der Vereinten Nationen“ ein einziger Euphemismus und ziemlich blöde dazu. Daß Stadtplaner mit Häuschen der Leere zu Leibe rücken wollen, grenzt an Wahnsinn. Bundesadler Helmut Kohl nennt so etwas „Vollendung der Einheit“.
Daß Senatsbaudirektorin Barbara Jakubeit Sehnsucht nach dem Lenin hat und eine Lanze für die ungeliebten Monumente des sozialistischen Städtebaus bricht, macht wieder Mut. Von „Verhübschungen“ im Sinne des Masterplans will sie nichts wissen. Quartiere – wie das Leninviertel – bilden für sie bauliche Chiffren deutscher Geschichte. Und wenn man diese schleift oder verbaut, sind sie ihrer ideologischen Komponente beraubt, die auch eine städtebauliche war. Nostalgie? Wohl kaum. Eher Fingerspitzengefühl für die Bedeutung von DDR-Ensembles und die Nachkriegsmoderne in der Stadt. Daß diese nicht schön ist, ist eine andere Frage. Aber mit Lenin ist sie ehrlicher. Rolf Lautenschläger
Siehe Bericht auf Seite 22
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