■ Kommentar: Totgeburt begraben
Erst im August war im Zusammenhang mit dem Checkpoint Charlie wieder einmal von Superlativen die Rede. Mit einem Hubschrauber ließen die Developer der Firma CEDC die zehn Tonnen schwere Plastik „Houseball“ der Künstler Claes Oldenburg und Coosje van Brueggen vor das Philip-Johnson-Haus fliegen – und kamen damit ins Guiness-Buch der Rekorde.
Weitaus rekordverdächtiger ist freilich der lange Abschied auf Raten, den die CEDC vom ursprünglichen Konzept eines American Business Center genommen hat. Kurz nach der Vereinigung galt der Checkpoint Charlie noch als einer der Meilensteine auf dem Weg Berlins zur europäischen Dienstleistungsmetropole. Programm war auch die personelle Besetzung der Immobilienfirma CEDC, in der neben Ronald Lauder mit Marc Palmer noch ein weiterer Ex-US-Botschafter die Message vom US-Standbein in Berlin verkaufen sollte. Vom Konzept des Business Center ist heute freilich nichts mehr übrig. Statt desssen kündet die Werbekampagne für das „intelligente Network Office“, bei dem der Büromieter vom Klopapier über die Reinigung alles vom Bildschirm aus ordern kann, vom – weniger intelligenten als vielmehr hilflosen – Versuch, den Leerstand im bereits fertiggestellten Johnson-Haus zu vermarkten.
Der Ausstieg Lauders aus dem Checkpoint-Charlie-Projekt ist aber nicht nur Ausdruck der Immobilienflaute, die die Euphorie der Nachwendezeit bereits seit 1993 Lügen straft. Er ist auch eine Reaktion auf die seit 1996 fertiggestellte Friedrichstraße. Als „Wiederbelebung“ der Magistrale der 20er Jahre geplant, erweist sich die Friedrichstraße wegen ihrer sterilen Architektur und ihrer Monostruktur als Bürostandort selbst ehemaligen Optimisten nunmehr als Totgeburt. Lauders Ausstieg ist da eine weitere Schaufel Erde aufs Grab. Uwe Rada
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