■ Kommentar: Schicksalhafter Streik
Wochenlang hat sich Frank Teichmüller bedeckt gehalten. Hinter den Kulissen war der Chef des IG Metall-Bezirks Küste zwar bemüht, den Apparat auf Trab zu bringen und die Belegschaften auf einen möglichen Arbeitskampf einzuschwören. Offiziell aber wies er Streikabsichten immer von sich und beteuerte, der Arbeitskampf werde in Baden-Württemberg oder Bayern entschieden.
Wenn Teichmüller nun in der Öffentlichkeit herumposaunt, es gäbe gute Gründe, sich für den Norden als Arbeitskampfgebiet zu entscheiden, dann wird er wissen, warum. Nicht nur, weil die große IG Metall wahrscheinlich gut beraten wäre, ein kleines Tarifgebiet wie den Bezirk Küste auszusuchen, mit einer separaten und autonomen Struktur und Wirtschaftszweigen, die von der Rezession derweil nur periphär tangiert werden.
Denn in der maroden Stahlindustrie Nordrhein-Westfalens ist kein Streik mehr möglich, ein Arbeitskampf in der Elektroindustrie Baden Württembergs hätte schnell „Kalte Aussperrungen“ in der ganzen Republik zur Folge, die Auto-Giganten würden sich über kostenlose Stillstandszeiten nur freuen und die bayrischen Metaller sind mit dem Makel behaftet, schon einmal einen Arbeitskampf vergeigt zu haben.
Die MetallerInnen im Norden haben hingegen den Ruf, durchhalten zu können. Nicht nur der 16-Wochenstreik 1956/57 oder die Werftarbeiterstreiks der 80er Jahre – wenn die NordmetallerInnen gebraucht wurden, standen sie bereit. Und sie bewiesen langen Atem. Denn klar ist auch jetzt: Kommt es zum Arbeitskampf, dann wird der nicht in zwei Wochen gewuppt sein.
Frank Teichmüller knüpft an diesen Tarifkonflikt auch sein persönliches Schicksal. Verliert die IG Metall den Kampf, wird er seinen Hut nehmen müssen. Kann die IG Metall-Küste den Tarifabbau verhindern, ist der Weg für Teichmüller nach Frankfurt frei. Dann heißt der neue IG Metall-Chef: Frank Teichmüller. Kai von Appen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen