■ Kommentar: Naives Bedauern
Das nachträgliche Geplänkel um die Absage der Uni-Feier geht am Kern des Problems vorbei: Kein noch so forscher Uni-Präsident hätte sie retten können, kein noch so millitärischer Sicherheitsapparat hätte Eierwürfe verhindert. Es hat sich unter Studierenden Ummut aufgeladen über umzumutbare Politik. Die Uni soll 14 Prozent aller Personaleinsparungen fürs Horror-Haushaltsjahr 1995 tragen, obwohl sie nur einen Personalanteil von 4,5 Prozent hat. Es geht also nicht nur um „auch sparen müssen“, sondern um dreimal soviel sparen müssen.
Es ist höchste Zeit, daß die Politik den Aufschrei dieser Institution ernst nimmt. Wissenschaftssenator Hajen und Bürgermeister Voscherau aber verschaukeln die Uni. Keine Rede mehr von dem vor zwei Jahren umjubelten Strukturentwicklungskonzept (Steko), in dem ein Erhalt der Studienkapazität beschlossen wurde. Statt dessen holt der Bürgermeister zum Jubiläum einen Bürgerschaftsbeschluß von 1985 aus der Tasche, der den Abbau der Kapazität auf 32.000 Plätze vorsieht. Wenn schon Geschichte aufarbeiten, dann bitte auch die jüngste. Sicherlich wurde jenes Steko - das erstmals eine Verbesserung der materiellen Bedingungen der Uni vorsah - unter „Finanzierbarkeitsvorbehalt“ gestellt. Ein Zusatz, der den ersten und bislang einzigen Erfolg Hajens nun in Luft auflöst.
Verschaukelt wurden auch die Professoren, als ihnen die Verkleinerung der Uni mit der Aussicht schmackhaft gemacht wurde, die Vakanzrate würde abgeschaft. Pustekuchen. Über die Zeitungen erfuhr die Uni-Spitze, daß Hajen falsche Versprechungen gemacht hat. Naiv wirkt da sein öffentliches Bedauern: „Ich hätte gern gefeiert“. Fragt sich doch, mit wem? Kaija Kutter
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