■ Kommentar: Sparen in Saus und Braus
„Heulen und Zähneklappern“ verspricht uns der Boß und lamentiert von „drastischen Einsparungen am Rande des Erträglichen“. Der Kassenwart schimpft übers „finanzpolitisch scheußlichste Jahr der Nachkriegsgeschichte“. Wer derart eingestimmt einen Blick die nüchternen Zahlen des Haushaltsplanes 1995 wirft, kommt allerdings aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Sparen? Hamburg geht auch 1995 in die Vollen: Bei einem Miniwachstum der Einnahmen von gerade einem Prozent klettern die Gesamtausgaben um fünf Prozent. Das Loch von fast vier Milliarden Mark stopfen die Banken (rund 45Prozent) und die Veräußerung städtischen Vermögens (rund 35Prozent). Wirkliche Spareffekte sind kaum mit der Lupe auszumachen. Es regiert das finanzpolitische „Weiter so!“
Dabei: Hamburgs Finanzlage ist tatsächlich miserabel. Nicht wg. Einheit (die Extraeinnahmen wg. Einheitsboom liegen weit über den Einheitskosten), nur zu einem kleinen Teil wg. Bonn (Waigel verschiebt tatsächlich Lasten auf Ländern und Gemeinden), sondern vor allem wg. Voscherau & Co, die seit sechs Jahren ihre finanzpolitischen Hausaufgaben nicht gemacht haben und in jedem echten „Unternehmen Hamburg“ längst gefeuert worden wären.
Vor einen wirklichen Sparschnitt schreckten Voscherau und Co zurück. Hausbesitzer und Gewerbetreibende blieben ebenso verschont wie die wasserköpfigen Verwaltungen der Großbehörden oder überflüssige Großinvestitionen. Stattdessen stutzen die Behörden an ihren Rändern: Um ihre Besitzstände zu wahren, geht es „kleinen Leuten“ und den halböffentlichen Dienstleistern an den Kragen.
Statt in einen konstruktiven Sanierungsdialog mit der Stadt zu treten, wollen sich Voscherau & Co mit dem Ausverkauf städtischen Vermögens und vielen kleinen Billig-Rasuren über die nächste Wahl retten. Polit-Lotto-Freak Voscherau setzt erneut auf Geduld und Vergeßlichkeit des Stimmviehs. Ein riskantes Spiel. Florian Marten
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