Kommentar: Dilemma der Kirche
■ Keine einfache Interessengemeinschaft
Bei der ÖTV war die Sache nur eine billige Masche im Überlebenskampf. Tatsächlich nämlich läßt sich eine Differenzierung der Löhne für Mitglieder und Nichtmitglieder überhaupt nicht durchsetzen – weder rechtlich noch gesellschaftspolitisch. Schließlich würden die Unternehmen den Teufel tun und den Gewerkschaften per Besserbehandlung neue Mitglieder zutreiben.
Bei den Kirchen ist die Sache komplizierter. Von der Kita über Schulen, Beratungsstellen, Sozialeinrichtungen und Altenpflege bis hin zur Bestattung auf einem Gottesacker reicht die Palette der zumindest teilweise aus Kirchensteuern finanzierten Angebote an die gesamte Allgemeinheit. So etwas funktioniert auf Dauer nur, wenn die ideologische Grundlage – in der Kirche also der christliche Glaube – fest genug ist; wenn das „Liebe Deine Feinde“ mehr ist als ein Lippenbekenntnis.
Und daran beginnen die Kirchenleitungen – sicher auch aus Selbsterfahrung – zu zweifeln. Wäre es dann nicht besser, fragen sie, die Mitglieder durch wirtschaftliche Vorteile an die Kirche zu binden? Diese Sprache versteht schließlich jeder. Aber sie hat einen entscheidenden Haken. Ist die Kirche nämlich erstmal wirklich nichts weiter als eine normale Interessengemeinschaft, warum sollte es dann eigentlich der Staat übernehmen, ihr vom Finanzamt die Beitrags-Milliarden eintreiben zu lassen? Dirk Asendorpf
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