■ Kommentar: Phänomen Gewalt
Eine Horrorvorstellung, ahnungslos durch den Park zu gehen und von einem vorbeiradelnden Jungen niedergestochen zu werden. Solche Vorfälle machen Angst, das ist klar. Klar ist aber leider auch, daß danach wieder Rufe laut werden nach härteren Strafen, nach geschlossenen Einrichtungen für Jugendliche. Und natürlich werden sich auch die Stimmen wieder zu Wort melden, daß die Jugendlichen immer brutaler werden, daß die Kriminalität bei den Jungen zunimmt.
Aber was ist denn übrig geblieben von der langwierigen Diskussion um die zunehmende Gewalt den Schulen? Nachweisen ließ sich diese Tendenz nie. Jede Generation kommt wohl irgendwann dazu, die eigene Jugend in rosigem Licht zu sehen und die gegenwärtige für besonders verkommen zu halten.
Die brutalen Überfälle des Vierzehnjährigen soll das nicht verharmlosen. Für die betroffenen Frauen bleibt der Angriff ein Schock für den Rest ihres Lebens. Sie brauchen sicher mehr als nur medizinische Hilfe. Und wir alle haben ein Interesse daran, daß so etwas nicht wieder passiert. Wenigstens von diesem einen Jungen sollte keine Gefahr mehr ausgehen.
Grundsätzlich läßt sich Gewalt aber nicht verhindern. Gewalt gegen Frauen ist ein tägliches Massenphänomen, der gefährlichste Ort ist bekanntlich immer noch das eigene Schlafzimmer. Darüber könnten wir eine Grundsatzdiskussion einfordern. Im Fall des Marcus S. aber verbieten sich Patentrezepte und Pauschalurteile. Hier ist ein differenzierter Blick und fachkundige Hilfe auch für den Täter gefragt.
Einen Vierzehnjährigen für den Rest seines Lebens wegzuschließen, ohne ihm die Chance auf einen Neuanfang zu geben, nützt niemandem: nicht den Opfern, nicht dem Täter und uns erschrockenen ZuschauerInnen auch nicht. Iris Schneider
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