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■ KommentarGuter Instinkt

Die einstige Rollheimerstätte an der East Side Gallery wird zur Baustoffablage, das vor wenigen Tagen geräumte Haus in der Marchstraße ist zugenagelt, vielleicht gibt es noch ein Nachspiel im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses – das war's dann aber auch. Mit gutem Instinkt hat Innensenator Schönbohm die Außenseiter räumen lassen, ohne größeren politischen Schaden genommen zu haben. Woran sich sein Vorgänger Heckelmann nicht wagen konnte, weil die Realität der Stadt eine andere war, erledigt er in wenigen Wochen. Proteste? Ein paar hundert Demonstranten versammeln sich friedlich in der West-City. Und jammern über die Verletzung der Berliner Linie, die einst zu Hoch-Zeiten der Hausbesetzungen geboren und sogar noch als Vorsichtsmaßnahme in die jetzige Koalitionsvereinbarung mitgeschleppt wurde. Aber die Berliner Linie, das staatliche Versprechen auf Einhaltung gewisser Regularien bei Besetzungen, hat schon lange ausgespielt.

Die Hausbesetzerszene von einst ist mausetot, nur noch ein Mythos für die Kids von heute. Wenn sich heute politische Konflikte kristallisieren, dann nicht mehr an Ausgestoßenen der East Side Gallery oder den Bewohnern der Marchstraße. Symbolhafte Besetzungen sind den gesellschaftlichen Verteilungskämpfen gewichen: Jetzt geht es um einen Sparhaushalt und die daraus folgenden praktischen Konsequenzen für viele. Die Randständigen der East Side Gallery oder der Marchstraße aber sind nur noch Sozialfälle, für die sich politisch keiner mehr engagiert. Das hat Schönbohm begriffen. Severin Weiland

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