Kommentar: Cleverer Schachzug
■ Neumann – ein Freund freier Presse?
„Rechtsmißbrauch“, schreit der Journalistenverband. „Dreister Eingriff in die Pressefreiheit“, bläst die IG Medien ins gleiche Horn. Starke Worte – aber ohne Biß. Mit Zähnen und Klauen verteidigt hingegen einer die Pressefreiheit, von dem es die wenigsten erwartet hätten: CDU-Landeschef Bernd Neumann fordert die Entlassung von Generalstaatsanwalt Janknecht. Cleverer Schachzug. Neumann profiliert sich in der Öffentlichkeit als Freund der freien Presse und schlägt dem Koalitionspartner SPD gleichzeitig die Zähne in den Hals. Durch ihr Schweigen läßt sich die SPD das nicht nur widerspruchslos gefallen, sondern sie nährt auch den Verdacht, daß den Genossen die Durchsuchungen recht waren, um Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und seinen Staatsrat Hoffmann zu schützen.
Doch die CDU hat noch einen Grund, mit der Staatsanwaltschaft hart ins Gericht zu gehen: Gegen den CDU-Innenstaatsrat von Bock und Polach wird derzeit wegen Strafvereitelung im Amt ermittelt. Wird Anklage erhoben, muß von Bock seinen Hut nehmen. Insofern eignen sich die Durchsuchungen hervorragend, um im Vorwege die „Inkompetenz“ der Staatsanwaltschaft herauszustreichen.
Bleibt nur zu hoffen, daß sich Neumann an sein Plädoyer für die freie Presse erinnert, wenn die Journalisten demnächst „ihre Pflicht tun“ (Neumann) und über die Machenschaften des ehemaligen Oberstaatsanwalts von Bocks berichten. Kerstin Schneider
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