Kommentar: Demontage
■ Die CDU stilisiert die Machtfrage
Henning Scherf, der Wehrdienstverweigerer, der Kriegsgegner, der moralisch verankerte Politiker, der Apostel der Wahrheit: Wackelt er oder wackelt er nicht, das ist die Frage. Bernd Neumann, das politische Taktik-Genie an der Spitze der Bremer CDU, hat den Bremer Bürgermeister nach allen Regeln der Kunst in die Ecke gespielt. Der Anlaß – wird die umstrittene Wehrmachts-Ausstellung in der unteren Rathaushalle gezeigt oder woanders – ist banal. Nie hat diese Halle derartig hohe Symbolkraft gehabt, alles mögliche wird dort ausgestellt. An der Wehrmacht-Ausstellung aber erhitzen sich die Gemüter der Kriegsveteranen, das ist ein vaterländisches Thema. Hat Scherf nicht am 6.Mai 1980 gegen die öffentliche Vereidigungszeremonie im Weser-Stadion mit-demonstriert?
Schon damals hatte Neumann seinen Rücktritt als Senatsmitglied verlangt. Wenn Scherf jetzt klein beigibt, verliert er den Rest von persönlicher Glaubwürdigkeit, denn hier gibt es keine Sachzwänge vorzuschützen: Das ist eine schlichte Frage der politischen Moral. Anstatt einer Koalitions-Lösung im Stillen hat Neumann deshalb die große Glocke gewählt. Es geht um den symbolischen Sieg: Scherf oder er, das ist die Frage, die demonstrativ und öffentlich nach Antwort verlangt. Nachdem die CDU in den wesentlichen Sachfragen die Koalition beherrscht, geht es jetzt noch um die Demontage von Scherfs moralischem Image . Klaus Wolschner
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