■ Kommentar: Käseglocken-Biedermeier
Wer über Berlins zugige Mitte nachdenkt, muß sich offenbar auf Sturm einstellen. Dabei ist es eine legitime Sache, die der Staatssekretär beim Senator für Stadtentwicklung, Stimmann, betreibt. Schließlich ist weithin Konsens, daß das Fernsehturm- Ensemble – trotz des Denkmalschutzes für die Betonnadel – eine städtebauliche Katastrophe ist. Und auch das sozialistische Würfelspiel mit über die grüne Wiese verteilten Plattenbauten ist nicht die Krone einer innovativen Stadtbildentwicklung – das gilt nicht nur für Ostberlin, sondern auch für die gleichermaßen verunglückten Beispiele aus dem Westen. Zumindest bei den architektonischen Irrwegen nehmen sich Ost und West nicht viel. Wenn es denn also Ideen gibt für eine städtebauliche Zivilisierung dieser DDR-Sünden im östlichen Zentrum rund um Fernsehturm und Alexanderplatz, dann her damit.
Eine „Kampfansage“ an die bisherige Stadt kann nie falsch sein; die beständige Veränderung und Erneuerung ist immerhin die Essenz urbanen Lebens. Dem entgegen läuft der Ruf nach Bestandsgarantien für eine zweifelhafte Baukunst, die mit Verweis auf eine „authentische DDR-Geschichte“ wie mit einer Käseglocke von jeder Neubewertung abgeschirmt werden soll. Das hat etwas von einer biedermeierlichen Gemütlichkeit, wie sie bisweilen bei Stadtplanern am Wohnzimmertisch unter den Stuckdecken sanierter Altbauwohnungen anzutreffen ist. Die im „Masterplan City-Ost“ entwickelte Blockrandbebauung für die offenen Flächen am Fernsehturm und der Bezug auf historische Grundrisse sind eine Antwort. Mit dem von der taz veröffentlichten „Masterplan“ ist die Diskussion nicht beendet, sie wird gerade erst eröffnet. Gerd Nowakowski
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