■ Kommentar: Einkehr der Normalität
Allen Bedenken zum Trotz ist das politische Gedächtnis im wiedervereinigten Deutschland zwar nicht verschwunden, aber die konservative Linie, auf historische Feinheiten zu verzichten, hat sich durchgesetzt. Seit 1993 gedenkt die Bundesrepublik zum Volkstrauertag an der aufgeblasenen Pieta von Käthe Kollwitz in der Neuen Wache. Die Widmung für „alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ ist zu Recht kritisiert worden: als Einebnung der Geschichte, als Hohn gegen all diejenigen, die von Wehrmachtssoldaten und KZ-Wächtern ermordet wurden.
Vor drei Jahren hatte es dagegen noch lautstarke Proteste gegeben, vom Zentralrat der Juden in Deutschland, von HistorikerInnen und von einer breiten liberalen Öffentlichkeit. Inzwischen hat man sich an den unsensiblen Zungenschlag gewöhnt, wie an so vieles am bundesdeutschen Umgang mit der Geschichte. Die vielbeschworene Berliner Republik leistet es sich, in der Hauptstadt eine Vergangenheitsbewältigung zu präsentieren, die nur ein Ziel hat: Normalität. Bei soviel Normalität kippt der sensible Umgang mit der Geschichte von der Tagesordnung, wie auch jüngst bei der „Topographie des Terrors“. Der Neubau des Museums wurde eingespart, als ob es um ein Toilettenhäuschen am Breitscheidplatz ginge, ein Sparposten unter vielen.
Das Bewußtsein hat eben gefehlt. Als die SenatorInnen feststellten, was sie angerichtet hatten, machten sie einer nach dem anderen einen Rückzieher. Sparpolitischer Sachzwang und pauschales Gedenken – sollen das die Gesichtszüge der Berliner Republik sein? Barbara Junge
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