Kommentar: Weg vom Gleichschritt
■ Die längeren Ladenöffnungszeiten sind einfach ein Gewinn an Lebensqualität
Hochzufrieden lehnen sich Gewerkschafter und Einzelhändler dieser Tage zurück: Haben sie es nicht schon immer gewußt? Der Deutsche will, daß um 18:30 Uhr die Klappe fällt! Die preußische Stechuhr gewohnt, kann die Gesellschaft nur dann funktionieren, wenn sie im Gleichschritt männlicher Erwerbsarbeit marschiert. Morgens fährt Papi ins Büro. Mama bringt die Kinder in die Krippe, holt ein, kocht das Essen und stellt Papi abends Pantoffeln und Bier vor die Glotze. Dazu braucht es doch keine längeren Ladenöffnungszeiten!
Dieses Weltbild, von vielen Gewerkschaftsfunktionären und mancher SozialdemokratIn immer noch liebevoll gepflegt, trübt nur ein klitzekleiner Fleck: es hat mit der Realität unserer Lebens- und Arbeitswelt kaum noch etwas zu tun. Das Ätsch angesichts der Anlaufschwierigkeiten der Verlängerung der Ladenöffnungszeiten, bei der die HBV kaum etwas unversucht ließ, um jede Chance auf eine Beschäftigungs- und Imageoffensive zu verpassen, kann nicht darüber hinwegtäuschen:
Die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten ist schon heute ein Gewinn an Lebensqualität. Sie ist wichtig für die Wiederbelebung der Städte. Sie entspricht dem Wandel unsere Lebensweise: Weg vom Maschinentakt gesellschaftlicher Normalarbeitszeiten hin zu einem größeren gesellschaftlichen wie individuellen Gestaltungsspielraum. Sie ist auch, da mag die HBV noch so mosern, frauenfreundlich. Wo sich Gestaltungsspielräume öffnen, ist gestaltendes Handeln angesagt. Ob dies die HBV wirklich immer noch überfordert? Florian Marten
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