■ Kommentar: Offenbarungseid
Es war ein Offenbarungseid, den der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen gestern nach der Koalitionsausschußsitzung mitzuteilen hatte. In keiner der drängenden Fragen hatten sich die Koalitionspartner einigen können. Die Streitfragen – Investitionsplanung, die Bezirksgebietsreform und die Umsetzung der Verwaltungsreform auf Senatsebene – wurden vertagt. Das höchste Konfliktlösungsgremium der Koalition taugte gestern allenfalls zum Frustablassen auf beiden Seiten.
Ein Jahr nachdem die Große Koalition zum zweiten Mal die Amtsgeschäfte aufgenommen hat, ist offenkundig, daß der Vorrat an Gemeinsamkeiten zwischen SPD und CDU geringer war als angenommen. Und selbst das wenige ist nahezu aufgebraucht. In keiner der drängenden Fragen können sich die Koalitionspartner einigen. Die Störfeuer, mit denen sie sich gegenseitig torpedieren, sind Ausdruck grundlegender Differenzen. Das Bekenntnis der CDU zur Haushaltskonsolidierung ist doppelzüngig. Von Prioritäten redet Diepgen gern, über die Posterioritäten schweigt er lieber.
Das schwarz-rote Bündnis zog seine Daseinsberechtigung vor allem aus der Behauptung, die schwierigen Aufgaben könnten nur von einer Großen Koalition gelöst werden. Doch die Stabilität einer breiten Mehrheit taugt nichts, wenn sich die Koalition selbst blockiert. Wenn die Große Koalition nicht in der Lage ist, die notwendigen Prioritäten zu setzen, hat sie jegliche Legitimation verloren. Dorothee Winden
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