■ Kommentar: Im Zweifel für Repression
Von Berti Vogts lernen heißt siegen lernen. Das jedenfalls muß Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) gedacht haben: Die deutschen Fußballer praktizieren die Taktik des „Pressing“, indem sie dem Gegner so aggressiv auf die Füße steigen, daß dieser keine Lust mehr hat, mitzuspielen. Das hat die Polizei rund um den 1. Mai auch getan: Massive Präsenz hat den Aufruhr im Keim erstickt. Diese Taktik ist genauso effektiv, aber ungleich gefährlicher. Denn die Polizei spielt nicht mit dem Fußball, sondern mit Grundrechten. Das Versammlungsrecht steht höher als die Angst vor Randale. So jedenfalls hat Schönbohm vor einigen Wochen seine Weigerung begründet, den Aufmarsch der Rechten in Hellersdorf zu verbieten. Die Abschottung Kreuzbergs durch die Polizei 1987 wurde später vom Verwaltungsgericht als ungerechtfertigt verurteilt. Trotzdem ist es für den Innensenator verhältnismäßig, einen gesamten Kiez dichtzumachen. Die Zahlen der Verhafteten bei der Aktion halten dann wiederum als Rechtfertigung für die Aktion her. Einerseits ist das absurd, andererseits ist es auf eine besondere Art logisch: Die Walpurgisnacht war kein Amoklauf, sondern eine klassische Abwägung der Rechtsgüter. Das Ergebnis: Wenn Randale droht, wenn das Image der Hauptstadtfähigkeit von links angekratzt wird, dann treten die Bürgerrechte eines ganzen Stadtteils zurück: Im Zweifel gegen die Liberalität, im Zweifel für die Repression. Bernhard Pötter
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