■ Kommentar: Gewachsene Ignoranz
Es ist schön mit anzusehen, wie sich Eliten selbst demontieren. Wenn das herrschende Lager unter seinen Widersprüchen knirscht und knarzt, wird endlich Platz für etwas Neues. Gegenwärtig entfernt sich die CDU von einem Teil ihrer sozialen Basis: der Unternehmerschaft. Die mag immer weniger mittragen, daß die Hochschulen ausgetrocknet werden, bis die Bildungs- und Forschungslandschaft der Sahara gleicht. Schon protestiert die Industrie- und Handelskammer, und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat gestern noch ein paar makroökonomische Argumente nachgeschoben.
Mit den Kürzungen im Hochschulbereich verstößt der Senat gegen seine eigenen Visionen. In keiner Senatorenrede darf er fehlen, der Verweis auf die leistungsfähigen Unis und ihre exzellenten ForscherInnen, die sie täglich den Betrieben zur Verfügung stellen. Die Hochschulen werden gepriesen als Garanten für den wirtschaftlichen Aufschwung. Böse Zungen sagen, daß die Stadt viel mehr auch nicht zu bieten habe. Doch gerade in diesem Bereich fällt der Sparhammer besonders hart. Einer der produktivsten Bereiche wird verstümmelt, während die Wasserköpfe der Senatsbehörden und der Polizei im Vergleich dazu ungeschoren davonkommen.
Welches Maß an Realitätsverlust gehört eigentlich dazu, genau das zu tun, was die Krise verschärft? Es muß die in langen Regierungsjahren gewachsene Ignoranz sein, die die Oberen immun macht gegen Ratschläge, die eigentlich in ihrem Sinne sind. Besonders ausgeprägt scheint dieses Phänomen bei Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) zu sein, der sich als erster gegen die Sparwut im Bildungsbereich wehren müßte. Hannes Koch
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