Kommentar: Blamabler Reformstart
■ Gericht kritisiert langsame Behörde
Die Innenbehörde ist zu langsam, Einbürgerungsverfahren dauern viel zu lange. Das kritisierte jetzt das Bremer Verwaltungsgericht mit einer bemerkenswerten Begründung: Steigende Verfahrenszahlen sind kein Grund für längere Bearbeitungszeiten.
Damit rauben die Richter Innensenator Borttscheller seine Lieblingsdeckung – das Finanzdesaster. Er könne kein neues Personal einstellen, klagt Borttscheller. Bleibt er aber bei dieser Vogel-Strauß-Politik, zahlt er fleißig weiter Verfahrenskosten.
Was das Verwaltungsgericht anmahnt, ist jedoch nur ein Vorgang, der außerhalb der verschlafenen Behördenflure Alltag ist. Unternehmer reagieren kreativ auf neue Situationen. Der Innensenator reagiert dagegen erst, wenn ihn Gerichte dazu verdonnern. So lange läßt er Beamte mit gigantischen Aktenbergen und auch Bürger im Stich.
Dabei ist die Lösung des Dilemmas recht einfach. Vorschlag: Die Finanzämter prüfen die Einkommensverhältnisse der Antragsteller, die Standesämter die Aufenthaltsdauer und die Justizbehörden die Strafregister. Nur die letzte Entscheidung über eine Einbürgerung wird dann in der jetzt überlasteten Zustimmungsbehörde gefällt. Das nennt sich Verwaltungsreform, wird von allen PolitikerInnen hoch gelobt und jetzt vom Bremer Verwaltungsgericht endlich an den Start gebracht. Damit ist diese richterliche Entscheidung – nicht nur für Borttscheller – eine einzige Blamage. Jens Tittmann
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