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■ KommentarStabi nur über Gebühr

Hans Scharoun war einfach der falsche Architekt. Hätte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit dem Neubau der Staatsbibliothek einen jener mediokren Asbest-Baumeister beauftragt, die andernorts belanglose Lesesäle mit Bunkeratmosphäre errichteten, dann hätte sie heute ein Problem weniger. 40 Prozent der Benutzer pilgern nur deshalb an den Potsdamer Platz, weil sie die lichtdurchfluteten „hängenden Lesegärten“ genießen wollen, die Wim Wenders im „Himmel über Berlin“ als Metapher engelsgleicher Leichtigkeit benutzte. Sollte man allen Lesern einen Platzverweis erteilen, auf deren Tisch sich keine Stabi-Bände stapeln? Dann würde dem Personal die Flut der Bestellzettel, die ihm schon jetzt bis zum Hals steht, endgültig über den Kopf schwappen. Nein, die Probleme der Stabi ließen sich nur lösen, wenn die Berliner Uni-Bibliotheken zu jenem internationalen Standard aufstiegen, den die Stabi mit ihrem ambitionierten Projekt einer Nationalbibliothek erreichen will. Doch die großen Pläne drohen an den Berliner Verhältnissen zu scheitern: Dann müßte die HU-Bibliothek ihr Domizil im Altbau der Stabi Unter den Linden räumen. Für einen Neubau fehlen aber Geld und Grundstück. Und mit dem Angebot an Büchern steht es nicht anders als mit den Lesesälen: Es wird an den Unis immer dürftiger, während die Stabi noch aus dem vollen schöpfen kann, weil sie sich nicht aus dem maroden Landeshaushalt finanziert. Jetzt sollen die StudentInnen für jene Leistungen bezahlen, die ihnen die Uni nicht mehr bietet – auch eine Art Studiengebühr. Egalitäre Architektur gebiert neue Ungleichheit: So hatte sich Scharoun das nicht gedacht. Ralph Bollmann

Bericht Seite 22

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