■ Kommentar: Der Polizist, dein Richter
Gemessen schreitet der Kontaktbereichsbeamte durch sein Revier. Gerät ein jugendlicher Übeltäter in seine Reichweite, dann geht es zur Sache. Mit der Gelassenheit einer reichen Lebenserfahrung werden am Ort der Verfehlung „erzieherische Maßnahmen“ ausgesprochen, die den Delinquenten reuig und gebessert zurücklassen. Und hoch droben lächelt milde die Sonne der Aufklärung. So stellt sich offenbar Justizsenator Körting seinen Beitrag im Kampf gegen die Jugendkriminalität vor.
Der Gedanke ist bestechend, Jugendliche zeitnah zur Tat zu bestrafen, während ansonsten in vielen Monaten Wartezeit bis zur Gerichtsverhandlung mit der Erinnerung auch jedes Unrechtsbewußtsein schwindet. Doch Körtings Vorschlag verspricht mehr, als er leisten kann. Möglich ist solches Vorgehen nur bei Bagatelldelikten. Völlig ungeeignet dagegen ist es bei gravierenden Delikten wie Raub oder Körperverletzung.
Es ist nicht klar, ob die Polizei überhaupt bereit ist, den Schnellrichter zu spielen. Zudem setzt das Konzept eine Persönlichkeit voraus, die abwägend, gerecht und bestimmt die Sünder auf den rechten Weg zurückführt. Ein Profil, das man nicht unbedingt mit der Mehrheit der Polizisten verbindet. Die aufgebürdete Doppelrolle des Polizisten und Richters löst eher Beklemmung aus. Das anvisierte Ziel einer erzieherischen Läuterung wäre mit Kiezrambos kaum erreichbar. Übrig bliebe von der Idee des Justizsenators dann nur eine Renaissance des preußischen Obrigkeitsstaats mit dem Kob als Respektsperson, dem alle möglichst aus dem Wege gehen. Gerd Nowakowski Seite 22
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