■ Kommentar: Im Zweifel für das Kind
Ein Verfahren zur Altersbestimmung, derart problematisch, daß auf die Anwendung im Land Berlin ausdrücklich verzichtet wird. Eine leitende Ärztin, die diese Zweifel am Verfahren dokumentiert hat, wird nicht zu Rate gezogen. Das sind Begleitumstände, die mißtrauisch stimmen. Dabei kam die Altersbestimmung im Fall Jasmin O. nach einer beispiellosen Diebstahlserie unter den Augen der Öffentlichkeit wie die Lösung des gordischen Knotens daher. Statt eines diebischen und strafunmündigen Kindes konnte ein Straftäter eingesperrt werden. Nachträglich drängt sich die Frage auf, ob hier genau das Ergebnis produziert wurde, das die Auftraggeber erwartet haben. Unter den Tisch fielen dabei die Details, die nicht ins Bild paßten. Warum beispielsweise hat der Vater von Jasmin O., der öffentlich forderte, seinen Sohn einzusperren, trotz derart nachgewiesener eigener Interessenlage den Sohn nie älter gemacht?
Inzwischen geht es nicht mehr um das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Jasmin O. und der Obrigkeit. Auch Staatsorgane, die sich in ihrer scheinbaren Machtlosigkeit lächerlich gemacht fühlen, dürfen nicht der fatalen Logik nachhängen, daß der Zweck die Mittel heiligt. Für einen Rechtsstaat ist es jedenfalls nicht akzeptabel, daß möglicherweise ein Kind auf zweifelhafte Weise in Haft gebracht wird. Gesetze dürfen nicht verbogen werden, auch wenn ein Kind dem Staat auf der Nase herumtanzt. Ansonsten gibt sich eine demokratische Gesellschaft auf. Der einzig anständige Weg ist: im Zweifel für das Kind. Auch wenn das zweifellos der mühevollere Weg ist. Gerd Nowakowski
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