■ Kommentar: Bremse für Lebensqualität
Selten haben Appelle so wenig genützt wie der, doch bitte schön das Auto stehenzulassen, weil die Ozonwerte steigen. Das alltägliche Gefeilsche um Grenzwerte und die Dauerwarnung an die „gefährdete Bevölkerung“ verschleiern nur den Blick darauf, daß hier eine dramatische Verschiebung des Begriffs „Lebensqualität“ stattfindet. Ebenso selbstverständlich, wie man Kinder heute nicht mehr in Flüssen baden läßt oder ihnen das Spielen auf der Straße aus Angst vor einem Unfall verbietet, hat man sich an das Ozon-Ritual gewöhnt: Zu Hause eingesperrt werden die Alten und die Kinder. Freigelassen werden die Autos. Das ist eine gewaltige Entsolidarisierung: Die Schwachen müssen leiden, damit die „Erfolgreichen“ ihren Mobilitätswahn austoben können. Wer die Verkehrswende fordert, um die Städte als Orte des Lebens zurückzugewinnen, muß sich wieder als standortgefährdender Spinner beschimpfen lassen. So zeigt sich die Verachtung der Starken für die Schwachen, die von einer autofixierten Verkehrspolitik flankiert wird. Wenn Klemann, Schmitt und Co. seit Monaten beharrlich die Umsetzung eines Verkehrskonzeptes für die Innenstadt sabotieren, das den Autoverkehr ein wenig einschränken würde, setzen sie nur um, was die ganz große Koalition der Automobilisten akzeptiert: daß eine massive Einschränkung der Lebensqualität durch das Auto eher hingenommen wird als eine Einschränkung des Autoverkehrs. Bernhard Pötter
Bericht Seite 23
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