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KommentarKrieg um Symbole

■ Nordirland: In Drumcree steht der Friedensprozeß auf dem Spiel

Werden Regierung und Polizei in Drumcree die Nerven behalten? Seit vorgestern stehen sich Sicherheitskräfte und Ordensbrüder gegenüber, getrennt durch Stacheldraht und Gräben, weil die Oranier nicht durch eine 400 Meter lange katholische Straße marschieren dürfen. Für Außenstehende ist es schwer begreiflich, warum beide Seiten offenbar bereit sind, den Friedensprozeß für eine scheinbare Lappalie aufs Spiel zu setzen.

Doch die Paraden der Oranier, mehr als 3.000 Stück im Jahr, symbolisieren die Wurzeln des jahrhundertealten Konflikts. Sie sind kein harmloser Ausdruck protestantischer Tradition, wie die Ordensbrüder weismachen wollen. Der Orden wurde 1795 als streng antikatholischer Geheimbund gegründet, und der Haß auf Katholiken hält die 80.000 Mitglieder zusammen. Deshalb ist der Orden mächtiger als alle protestantischen Parteien. So findet in Drumcree ein Machtkampf statt, der über die Zukunft Nordirlands entscheidet und bei dem kein Kompromiß möglich scheint. Verlieren die Oranier, dann sind sie entscheidend geschwächt, denn ein Rückspiel im nächsten Jahr gibt es nicht. Deshalb glaubt Paisley, daß die Oranier diese Schlacht unbedingt gewinnen müssen.

Für Trimble ist das Spiel bereits verloren. Der Unionistenchef, der sich vor vier Jahren in Drumcree einen Ruf als Hardliner erwarb, kann seine Haut auch nicht mit Rücktrittsdrohungen retten. Wird die Parade verhindert, macht man ihn dafür mitverantwortlich, weil er in den Augen der Oranier im Friedensprozeß zu nachgiebig war. Räumt die Polizei der Parade am Ende doch wieder die Straße frei, werden andere die Lorbeeren dafür ernten – Jeffrey Donaldson zum Beispiel, Trimbles Widersacher in der eigenen Partei, der in Drumcree vor Ort war. Daß er es auf Trimbles Posten abgesehen hat, ist ein offenes Geheimnis. Mit ihm an der Spitze der Unionistischen Partei wäre der Friedensprozeß zumindest gelähmt.

Es ist jedoch zu befürchten, daß Trimbles Drohung in London und Dublin Eindruck macht. Am Ende kalkuliert man vielleicht, daß der Schaden geringer ist, wenn man die Oranier flink über die katholische Garvaghy Road schickt, als Trimbles Rücktritt und den Konflikt mit 100.000 Oraniern in Drumcree zu riskieren. Die Gefahr ist groß, daß dies eine Fehlkalkulation ist und man beides verliert: Trimble und den Friedensprozeß.

Ralf Sotscheck Bericht Seite 10

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