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KommentarRückwärtsgewandte Megaklitsche

■ Die Privatisierung fährt die Bahn aufs Abstellgleis

In der jüngeren Geschichte der Bahn gab es zwei glückliche Momente. Der eine war das 35-Mark-Ticket, das selbst Bummelzüge mit Fahrgästen und Leben erfüllte. Eine bessere Werbung gab es nie. Mit dem Ticket kaufte man etwas, was über Mobilität hinausging: eine freundschaftliche Atmosphäre des Reisens. Den anderen Moment gebar die Tragik: Nachdem der ICE in Eschede zerschellt war, fiel kein unfreundliches Wort mehr in den Zügen. Selbst die Fahrgäste der ersten Klasse teilten die letzte Prinzenrolle und einen Schluck Wasser. Alle kamen zu spät, kein Reisender maulte.

Die Bahn AG hat dieses kleine Glück auf kaltem, bürokratischem Wege beendet. Das Billigticket galt nur zwei fröhliche Sommer lang, dann knapste die Bahn es auf das alte, langweilige Niveau zurück. Auch die tragische Freundlichkeit hielt nur ein paar verregnete Wochen, dann stoppten die Bahnmanager den Interregio. Das „Unternehmen Zukunft“ outet sich als rückwärtsgewandte Megaklitsche: Da, wo Zugfahren als „Mobilität in Atmosphäre“ vermarktet werden muß, setzen die Bahnbuchhalter auf pure Rentabilität.

Die Privatisierung der Bahn scheint damit den gleichen Verlauf zu nehmen wie die der Post. Die Manager der beiden Unternehmen erfüllen auf das klischeehafteste jene Vorbehalte, die während der Privatisierungsdebatte stets die Gewerkschafter vertraten: Das unrentable Angebot werde ausgetrocknet. Tatsächlich haben Bahn und Post bisher kaum eines ihrer Versprechen auf mehr Service, Freundlichkeit und prompte Erledigung eingehalten. Früher war der Kunde bei Post und Bahn Untertan, und er wußte das. Heute ist es ganz einfach: Er ist König – wenn er's bezahlen kann; oder er ist eben überhaupt kein Kunde mehr, weil der Schalter geschlossen oder die Strecke stillgelegt ist.

Ein Unternehmen, das öffentliche Infrastrukturaufgaben wahrnimmt, darf aber nicht allein profitorientiert wie ein Konzern agieren. Dies war ausdrückliche Bedingung der Privatisierungen. Bahnchef Ludewig & Co haben das nicht begriffen. Deshalb muß man ihnen wohl mit der Verfassung kommen: Ein Staat ist unter anderem dann demokratisch, wenn die Menschen gut und ungehindert miteinander kommunizieren können – überall, per Brief und Zug. Wenn Bahn und Post das nicht erfüllen, wird man sie staatlicherseits daran erinnern müssen. Christian Füller

Bericht Seite 5

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