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KommentarLektüre im Strandkorb

■ Die PDS schreibt an Weizsäcker und entdeckt das Grundgesetz

Neues von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hört man eigentlich immer gerne. Nur vielleicht nicht im Sommer. Da gehen auch wir aufrechten Demokraten lieber baden. Dabei hatte die PDS wirklich Wichtiges zur FDGO mitzuteilen. Sie mag sie nämlich, die PDS die FDGO. Ganz stolz waren Parteichef Lothar Bisky und Bundestags-Impressario Gregor Gysi auf die neue Programmatik: Damit angelt man Wessi-Wähler, damit schafft man in Meck-Pomm die Regierungsbeteiligung. Und so formulierten sie Sätze wie den von der Wahrung der im Grundgesetz verbürgten Grundrechte, die für die PDS unverzichtbar geworden sei. Nun sind solche Sätze eher schwere Kost, die einem zu jeder Jahreszeit auf den Magen schlagen können. Im Sommer aber kommt Mamas Mahnung hinzu, nie mit vollem Bauch zu baden. So hätten wir wohl die PDS-Programmpastetchen verschmäht.

Bisky und Gysi hatten mithin ein Problem: Wie sollten sie ihre neuen Einsichten über Geschichte und Auftrag des Sozialismus unters urlaubende Volk bringen? Vielleicht bei einem Bäderwahlkampf nach dem Vorbild Helmut Kohls? Doch wie unter deutschen Sonnenschirmen davon sprechen, daß die Partei zu der bitteren Erkenntnis gelangt sei, daß viele ihrer Genossen Strukturen der Unterdrückung mitgetragen hätten? Kaum eine befriedigende Antwort auf die Frage: „Papa, krieg ich noch ein Eis?“

Nein, wenn man schon von SED-Unrecht sprechen will, während der Rest der Nation nur Quietschenten im Sinn hat, und von der andauernden moralischen Verantwortung, wenn andere über andauernden Sonnenbrand klagen, dann muß man es machen wie die PDS. Statt bei Kohl kupferte sie bei Schröder ab. Auch ihn drängte es, Dinge zu sagen, die keiner wirklich hören wollte. So nannte er seine Traktate kurzerhand Briefe – und adressierte sie an interessantere Menschen, als er selbst einer ist: den Thrillerautor Frederick Forsyth etwa, oder Friedensnobelpreisträger Schimon Peres. Bisky und Gysi wählten für ihre Verteidigung der PDS die Ost-West-Ikone Richard von Weizsäcker als Adressaten – nur weil dieser vor Monaten gemeint hatte, der PDS stehe ein Bekenntnis zum Grundgesetz gut zu Gesicht. Der Brief kam also ungebeten – doch prompt bescherte der Glanz des Empfängers den Absendern Schlagzeilen. Und vielleicht liest's ja jemand im Strandkorb. Patrik Schwarz

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