■ Kommentar: Konfliktpädagogik
Es wird also wieder Wahlkampf gegeben. Nicht nur in Talk- shows und an Hauptverkehrsstraßen, sondern auch in den Schulen. Und weil Wahlkampf ohne Rechte kein richtiger Wahlkampf wäre, sollen nach dem Willen einiger Lehrer auch Kandidaten der Republikaner eingeladen werden. Die sollen, so steht es dann auf dem heimlichen Wahlkampflehrplan, die Schule von ihrer starken, guten Seite kennenlernen: sachlich, kritisch, pädagogisch. Kann das gutgehen?
Anders gefragt: Was kann schiefgehen? Es mag ja ein gutgemeintes Ziel sein, Reps & Co. coram publico als das zu entlarven, was sie meistens sind: Populisten und geistige Brandstifter. Jemanden seiner Widersprüche zu überführen setzt freilich den gemeinsamen Willen der restlichen Akteure voraus. Was aber, wenn ein rechter Schüler dem rechten Wahlkämpfer zur Seite springt und den Lehrer am linken Zeigefinger packt? Was, wenn ein Lehrer keine Grenze zu strafbaren Äußerungen zu ziehen vermag? Was, wenn ein türkischer Schüler die Sprüche, denen er tagtäglich ausgesetzt ist, nicht auch noch vom Rednerpult in seiner Klasse hören will? Wie soll verhindert werden, daß derartige Unwägbarkeiten die latent oder offen existierende politische Polarisierung an den Schulen nicht zur Eskalation treibt?
Auf der anderen Seite ist die Schule natürlich – zu Recht – kein konfliktfreier Ort. Und wer in einer Konfliktgesellschaft lebt, muß vor allem auch in der Schule lernen, Konflikte auszutragen, anstatt sie zu verdrängen. Dazu bedarf es aber mehr als einer dreiviertel Stunde Schulwahlkampf. Ohnehin dürfte der eigentliche Sinn einer solchen Veranstaltung vor allem in der Nachbereitung liegen. So oder so. Uwe Rada
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