■ Kommentar: Soziale Ignoranz
Das Klinik-Spargutachten liegt vor und schlägt, wie erwartet, drastische Einschnitte bei den Krankenhäusern vor. Gut daran ist, daß es wissenschaftlich fundierte Daten zur Krankenhausplanung gibt, die die Diskussion und Planung auf sachlicher Grundlage möglich machen. Das war überfällig. Zu lange wurde in Berlin Krankenhauspolitik auf der Basis von Kungelei und nach Gutdünken des zuständigen Staatssekretärs Detlef Orwat gemacht. Schwierig ist jedoch, daß die Gutachter ihre Empfehlungen nicht begründen. Warum sollen gerade das Kiez-Krankenhaus am Urban, das seine Verwaltung modernisiert hat und von der Bevölkerung gut angenommen wird, oder das relativ neue, anthroposophische Krankenhaus in Havelhöhe dichtgemacht werden? Datenschutzrechtliche Gründe führen die Gutachter für ihre Verschwiegenheit an. Einige Krankenhäuser, die ihre Informationen nur widerwillig zugänglich machten, sollen bei Veröffentlichung mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht haben. Andere Krankenhäuser verweigerten die Einsicht ganz, die Datengrundlage des Gutachtens ist deshalb nicht vollständig. Beides erschwert das Verständnis für sowie eine Einschätzung der vorgeschlagenen Maßnahmen.
Negativ ist auch die Beschränkung des Gutachtens. Das Kieler Institut ermittelte zwar den Krankenhausbedarf, stellt aber vor allen die Kosten in den Mittelpunkt. Doch Gesundheitspolitik darf nicht nur unter finanziellen Aspekten betrachtet werden. Es ist ein großes Manko, daß kein Wort über die Zukunft der bis zu 7.000 MitarbeiterInnen verloren wird, deren Stellen den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen sollen. Dies ist nicht den Gutachtern vorzuwerfen, sondern den Auftraggebern, den Krankenkassen. Diese bestellten ein Gutachten, das vor allem Wege aus ihrer Finanzmisere aufzeigen soll. Doch die Kassen, auch wenn sie kurz vor dem Bankrott stehen, haben eine soziale Verantwortung in der Gesundheitspolitik. Und: Um Sparmaßnahmen und dringend notwendige Umstrukturierungen umzusetzen, brauchen sie Bündnispartner, die bereit sind, gemeinsam mit ihnen das Gesundheitswesen neu zu gestalten. Ignoranz gegenüber sozialen Problemen macht das schwieriger, als es sowieso schon ist. Sabine am Orde
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