■ Kommentar: Rücktritt nicht opportun
Die Entscheidung von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU), trotz der jüngsten Pannen beim Verfassungsschutz dessen Amtschef Vermander nicht zu entlassen, kommt einem Eingeständnis gleich: Erwogen hat Schönbohm den Rücktritt von Vermander wohl, doch erschien ihm dies wenige Wochen vor der Wahl politisch nicht opportun. Denn Vermanders Rücktritt hätte die Frage aufgeworfen, ob nicht auch Staatssekretär Kuno Böse gehen müßte. So entsteht der Eindruck, daß Schönbohm nur die Haut seines Staatssekretärs retten wollte.
Auch wenn Schönbohm das Gegenteil behauptet: Böse und Vermander haben beide Fehler gemacht. Ein Mann mit der Erfahrung Vermanders hätte erkennen müssen, daß die Beweislage des Verfassungsschutzes im Fall des Polizeibeamten OttoD. zu dünn war. Ein Behördenzeugnis auf der Basis einer Aussage auszustellen ist fahrlässig. Vermander hätte auch darauf dringen müssen, daß das Zeugnis nicht kategorisch lautete: „D. ist Mitglied der Scientology-Organisation.“ Allenfalls einen Verdacht hätte man formulieren können.
Böse hatte die Beschäftigung des Stasi-Spitzels im November 1997 abgesegnet. Und alle Entscheidungen in der Sache Otto D. sind auf höchster Ebene getroffen worden. Was die Frage nach der Verantwortung Schönbohms aufwirft. Welche Vorgaben haben der Innensenator und der Staatssekretär dem Amt eigentlich gemacht? Und hätten Böse und Schönbohm nicht erkennen müssen, daß der Verfassungsschutz bei der Recherche im Fall Otto D. gesicherte Beweise vorlegen mußte? Dies hätte eine ganz andere Arbeitsweise vorausgesetzt als das Beobachten von extremistischen Gruppierungen. Es bleibt ein ungutes Gefühl: Einen sonderlich anpackenden Eindruck hat Vermander zumindest in der Öffentlichkeit bislang nicht gemacht. Das Vertrauen, daß unter seiner Führung das Amt so umorganisiert wird, daß die Verfassungsschützer qualifiziertere Arbeit leisten, will sich nicht so recht einstellen. Dorothee Winden
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