Kommentar: Eine Frage der Psychologie
■ Wahlen: Die Weichen für Bonn werden nicht in Bayern gestellt
Glaube kann Berge versetzen. Die Frage, welchen Einfluß die Bundespolitik auf das Ergebnis der bayerischen Landtagswahlen am Ende tatsächlich gehabt hat, ist ein Thema für Fachleute. Für den Bundestagswahlkampf spielt sie keine Rolle. Für den ist allein von Bedeutung, wovon die Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang überzeugt ist. Die letzten zwei Wochen vor der Entscheidung über eine neue Bundesregierung gehören der Psychologie. Wahlforscher wissen, daß es eine Neigung bei vielen Wechselwählern gibt, ihre Stimme am Ende dem mutmaßlichen Wahlsieger zu geben. Es ist schön, zu den Gewinnern zu gehören. Nun kämpft die Union schon seit so vielen Monaten gegen das Image des Verlierers an, daß ein einziger Sieg bei einer Landtagswahl für eine Trendwende kaum reichen dürfte. Wenn es den Konservativen jedoch gelingt, das bisher recht gefestigte Urteil über das allgemeine Meinungsklima zu erschüttern, dann haben sie einiges an Boden gutgemacht.
Für die SPD kommt es deshalb jetzt vor allem darauf an, eine Wahlentscheidung für den bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber von einer Entscheidung für Bundeskanzler Helmut Kohl abzukoppeln. Die Sozialdemokraten können nur hoffen, daß sich die Emotionen der Bevölkerung im Zeichen des Duells zwischen dem Regierungschef und seinem Herausforderer Gerhard Schröder so aufheizen, daß die Wahlen in Bayern möglichst schnell in den Hintergrund treten.
Die besseren Karten hat das Lager, dem es gelingt, möglichst viele Medien von der eigenen Sichtweise zu überzeugen. Nun haben aber Journalisten noch mehr als andere Leute den Wunsch, auf das richtige Pferd zu setzen – schließlich begehen sie ihre Irrtümer öffentlich. Unter Bonner Medienvertretern macht sich derzeit Ratlosigkeit breit. Sehnsüchtig halten viele nach einem wirklich überzeugenden Signal für ihre Prognosen Ausschau. So wird wohl am Ende der Spitzenpolitiker gewinnen, der seine Siegeszuversicht am überzeugendsten präsentieren kann.
Ganz ohne Unterstützung durch ein paar Fakten nützt allerdings auch die schönste Zuversicht nichts. Wenn der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt angesichts der 1,7 Prozent seiner Partei in Bayern den Ausgang der Landtagswahlen als „positives Signal“ für die Bundestagswahl bezeichnet, dann bereichert er den Wahlkampf damit um das Element des Tragikomischen. Bettina Gaus
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