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KommentarKeiner hört auf Kohl

■ Mehrwertsteuererhöhung: Wirbel um die Pläne der Koalition

Claudias Mund tat Wahrheit kund, als sie die Frage nach der beabsichtigten Mehrwertsteuererhöhung mit einem klaren Ja beantwortete. Denn nichts anderes besagt das Steuerkonzept ihrer Partei. Peinlich für Familienministerin Nolte ist nur, daß Wahrheiten sich in der Politik als schädigend erweisen, wenn sie zur Unzeit geäußert werden. Wahlkampfzeiten sind Unzeiten. Kohl warnte prompt und unwirsch seine Kabinettsmitglieder davor, sich zu Steuerfragen zu äußern. Genauso prompt und devot spurte seine Ministerin. Aus der Wahrheit wurde ein Versehen, und Nolte stand als die Gelackmeierte da.

Pech für sie, daß sie zum Thema überhaupt den Mund aufmachte. Doppeltes Pech, daß sie zu früh dementierte. Denn nun hat Waigels Ministerium bestätigt, wovon Kohl nicht reden will. Natürlich sei die Option, indirekte Steuern zu erhöhen, Teil der Petersberger Beschlüsse. Denn abgesehen von den geplanten Nettoentlastungen sei eine Gegenfinanzierung notwendig. Das legt allerdings nicht nur die Mehrwertsteuer als Antwort nahe, sondern wirft sogleich auch die alte Frage nach den Maßnahmen zur Finanzierung der Nettoentlastung auf. Richtig, da war doch noch eine Erklärungslücke im Konzept. Wahrheiten können leicht ausufern, auch deshalb sind sie so unbeliebt.

Deshalb ist der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt auf Einschränkung bedacht. Die Mehrwertsteuererhöhung solle einfach aus dem Konzept gestrichen werden. Es bleibe aber bei einer Nettoentlastung von 30 Milliarden Mark. Das klingt zwar schön, ist aber schon rein logisch ein Problem. Dem würde der Angebotspolitiker Gerhardt wahrscheinlich beikommen, indem er sich die Steuereinnahmen aufgrund einer verbesserten wirtschaftlichen Lage hochrechnet. Bis diese Lage eintritt, sind die Wahlen schon längst gelaufen. Ein Waigel, wer Arges dabei denkt. Denn der Finanzminister hat immerhin Haushalt und Haushaltsplanung bereits vorgelegt und darin mehr runter- als hochgerechnet. Und selbst das erscheint der Opposition noch viel zu hoch.

All das sind genug Widersprüche, um in den letzten Tagen vor der Wahl gründlich und genüßlich ausdiskutiert zu werden. Hat nicht Claudia Nolte ihre Äußerung mit den Worten bekräftigt, man müsse im Wahlkampf ehrlich sein? Doch da sei, wie gesagt, Helmut Kohl vor. Stellt sich nur die Frage, warum keiner in der Koalition mehr auf ihn hört. Dieter Rulff

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