Kommentar: Eine verkappte Subvention
■ Die Ökosteuer verliert ihre Lenkungsfunktion
Das Klischee sitzt fest: Die Ökosteuer belastet die Wirtschaft. Auch nach dem jüngsten Ökosteuerkompromiß zwischen Trittin und Lafontaine tun die Industrieverbände immer noch so, als sei die Ökosteuer ein Instrument, um die Wirtschaft zu melken. Das ist falsch.
Nach der rot-grünen Einigung auf einen ermäßigten Steuersatz für das produzierende Gewerbe ist klar: Vor allem Verbraucher und die öffentliche Hand werden den Löwenanteil der Ökosteuern zahlen, der Anteil der Wirtschaft bleibt minimal. Da mit den Einnahmen die Lohnnebenkosten gesenkt werden, profitieren auf der Habenseite Verbraucher und Unternehmen gleichermaßen. Unterm Strich subventionieren die Verbraucher also per Ökosteuer die Unternehmen.
Nun ist die Idee der Ökosteuer sicher nicht, alle Lasten gerecht zu verteilen – sie soll den Verbrauch von Energie teurer machen und dadurch zum Sparen anregen. Das muß aber überall dort geschehen, wo sie verbraucht wird. Sicher: Bestimmte Branchen wie die Zementindustrie und die Aluminiumverhüttung sollen nicht totgemacht werden. Doch die Regelung, den Strom und das Gas für das produzierende Gewerbe nur zu einem Fünftel so hoch zu besteuern wie privat verbrauchte Energie, unterscheidet am Ende zwischen gut vergeudeter Energie, weil sie angeblich irgendwie Jobs sichert, und schlecht verbrauchter, weil der böse Bürger sie zum Fernsehen benutzt.
Wenn man schon die Energie so zaghaft teurer macht, sollte die rot-grüne Regierung wenigstens bald ankündigen, wie hoch die folgenden Schritte sind. Nur das macht die Steuer für Unternehmen und Verbraucher planbar und regt Investitionen ins Energiesparen an. Ohne das hat die Energiesteuer keine Lenkungswirkung – und verkommt zu einer Art Bündnis für Arbeit auf Kosten der Verbraucher, einer Industriesubvention.
Das müßte die Wirtschaft eigentlich freuen. Doch lieber lehnt man die Ökosteuer rundweg ab: Sicher ist sicher. Und kein einzelnes der großen Unternehmen regt sich. Das zeigt, wie sehr die etablierten Wirtschaftsverbände ihre Mitglieder auf Linie gebracht haben. Vor einigen Jahren trauten sich noch Firmen wie AEG-Hausgeräte oder der Otto-Versand pro Ökosteuer an die Öffentlichkeit. Das ist vorbei, niemand will sich auf Dauer zum Außenseiter machen. Nicht einmal, wenn es der eigenen Sache dient. Matthias Urbach
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