Kommentar: Voll auf Kontrolle
■ Müntefering will Staatsrat abriegeln
Kaum hat Bundeskanzler Gerhard Schröder das Staatsratsgebäude zum provisorischen Amtssitz bis Ende 2000 ausgeguckt, läßt der für den Regierungsumzug zuständige Bauminister die Hunde los. Ein Sicherheitskonzept rund um das Haus samt Schloßplatz, so Franz Müntefering, müsse entwickelt werden, um Bombenwerfer auf Distanz zu halten. Polizei soll den Platz vor dem Staatsrat abriegeln, das Bundeskriminalamt rund um die Uhr Wache schieben. Und selbst die Baucontainer vor dem Palast der Republik werden observiert.
Nun könnte man ketzerisch fragen: Wer um Himmels willen soll denn eine Bombe auf Kanzler Schröder werfen? Der Mann bietet doch kaum Angriffsflächen. Hätte sich Müntefering bereits im Staatsratsgebäude umgeschaut, würde er nicht solch martialischen Ideen verfallen. Bereits in der Ära Helmut Kohls wurde der „Kanzlerbereich“ mit Panzerglas ausgestattet und mit sicherheitsrelevanten Einbauten umgerüstet. Die damalige Umzugsbeauftragte Christa Thoben hat sich lustig gemacht über die Festung Staatsrat.
Man kann es Müntefering nicht verdenken, den Kanzler schützen zu wollen. Das ist in anderen Ländern ebenso der Fall. Und wären in Bonn keine Gitterstäbe rund um den Kanzlerpavillon hochgezogen worden, weiß Gott, was passiert wäre, als Schröder dort gerüttelt hat.
Doch Berlin ist nicht Bonn. Die Stadt kein Raumschiff, geschweige denn ein Regierungsghetto. In Berlin ist die Öffentlichkeit Teil der Hauptstadt und ihrer demokratischen Funktionen. Den Schloßplatz zum „closed shop“ zu erklären käme einer Kampfansage an den öffentlichen Raum insgesamt gleich – ungeachtet der Tatsache, daß sich dort hauptsächlich piefige Jahrmärkte breitmachen und sonst – die BKA ausgenommen – wenig stattfindet.
Müntefering wäre gut beraten, beim Staatsratsgebäude ein nach innen gerichtetes, wenig auffälliges Sicherheitskonzept zu installieren. Und mit Wehmut erinnert man sich daran, daß Ex-Bauminister Klaus Töpfer das Haus und den Garten für die Hauptstädter geöffent hat und diesen Zustand auch für ein Ministerium erhalten wollte. Rolf Lautenschläger
Bericht Seite 24
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