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KommentarLafontaines Idee

■ Wenn Deutschland den EU-Vorsitz übernimmt, muß es wissen, was es will

Ab Januar wird alles anders. Die rot-grüne Regierung übernimmt für ein halbes Jahr den EU-Vorsitz. Die Ziele sind klar. Als erstes werden die Steueroasen in Luxemburg, Irland und sonstwo ausgetrocknet, die Beschäftigung angekurbelt, die Osterweiterung vorangetrieben und die Grundlinien der Agrarreform festgelegt. Vor allem aber, das hat Schröder den Franzosen gerade hinter die Ohren geschrieben, will man weniger zahlen.

Wie das zusammenpaßt, hat er allerdings nicht gesagt. Dafür ist Lafontaine zuständig, und der hat schon eine Idee. Die Bundesrepublik könne nicht den Zahlmeister machen, verkündete der Finanzminister kürzlich, wenn ihr andere EU-Regierungen durch Sonderangebote die Steuerzahler abwerben. Irgendwo muß das Geld herkommen.

Das ist mal ein neuer Ansatz, der übers Jammern hinausgeht. Vor allem akzeptiert er die europäischen Spielregeln: Gibst du mir, geb' ich dir. Damit ist zwar sicher, daß Deutschland der größte Nettozahler bleibt – aber wenn es die Steuerflucht ins EU-Ausland auch nur ein bißchen eindämmt, hat das Sinn. Es wäre ein Zeichen an die Deutschen, daß die EU nicht nur Geld kostet, sondern auch etwas bringt.

Das ist zwar auch sonst der Fall. Die deutsche Wirtschaft profitiert vom EU-Binnenmarkt. Die EU sichert den Deutschen Stabilität und Anerkennung, beides ist angesichts der deutschen Geschichte nicht selbstverständlich. Mit der Erweiterung der EU wird diese Stabilität Deutschland auch an seinen Ostgrenzen umgeben. Aber das sind Vorteile, die sich nicht in Mark und Euro umrechnen lassen und in unserer schlichten Medienwelt, in der nur Zahlen zählen, offensichtlich nicht mehr zu vermitteln sind. Es geht nicht darum, ob wir zuviel zahlen, sondern wofür.

Die EU soll tun, was die Nationalstaaten nicht können: die Steuern harmonisieren, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik koordinieren, wirtschaftliche Stabilität in und um Europa fördern. Die EU-Agrarpolitik gehört nicht dazu, sie ist ineffizient und behindert beispielsweise die Osterweiterung. Ernährungspolitik ist regional besser zu lösen.

Es gibt Signale, daß Bonn da ein bißchen umsteuern will. Fortschritte sind in der EU ohnehin nur in Millimetern zu messen. Lafontaine hat immerhin begriffen, daß mit dem EU-Vorsitz nur etwas zu erreichen ist, wenn man vorher die eigenen Prioritäten ordnet. Alois Berger

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