Kommentar: Lafontaines Sieg
■ Die Bundesbank senkt die Zinsen: War der Kampf darum nötig?
Wochenlang hatte Oskar Lafontaine von allen Seiten Schläge eingesteckt für seine Forderung, die Zinsen müßten runter, damit auch die Arbeitslosenzahlen wieder nach unten zeigen können. Bundesbank und Europäische Zentralbank (EZB) betonten schroff ihre Unabhängigkeit und verwahrten sich gegen Druck des deutschen Wahlsiegers.
Gestern plötzlich senkte die Bundesbank zusammen mit den übrigen Notenbanken der Euro-Zone den Leitzins doch. Das ist ein Sieg für den Bundesfinanzminister. Es bleibt die Frage, ob es dumm oder geschickt war, die Bundesbank als Konjunkturwürger anzugreifen. An beiden Sichtweisen ist etwas dran. Lafontaine galt durch seine Zinsforderungen bei den internationalen Bankern offiziell als Gefahr für die Stabilität ihrer Währungen – kein sehr angenehmer Ruf für den Finanzminister der bedeutendsten Wirtschaftsnation Europas. Der hoffte sich hingegen so beim Wahlvolk als Kämpfer gegen die Arbeitslosigkeit zu profilieren.
Das könnte gelungen sein, aber die Banker hätten den Zins vielleicht schon eher, auf jeden Fall aber reibungsloser gesenkt, wenn sie nicht so gedrängt worden wären. In Sachen Unabhängigkeit sind sie nun einmal Dickschädel von Berufs wegen. Die Zinssenkung wäre auch ohne den deutschen Finanzminister gekommen, wie sich nun zeigt. Schließlich haben die Zentralbanken der Euro-Länder gut koordiniert einen Leitzins auf 3,0 Prozent gesenkt. So viele Währungshüter kümmern sich nicht um das Image eines einzigen Finanzministers. Sie haben vielmehr den Zins jetzt gesenkt, damit die Europäische Zentralbank länger die Zinsen unverändert lassen kann. Die EZB übernimmt ab Januar das Kommando über den Euro und soll als Hort von Stabilität und Härte gelten. Schließlich sind beim Euro Kandidaten wie Belgien oder die Südländer dabei, die in New York oder Hongkong bisher eher als Garanten für eine Weichwährung galten.
Ob die Konjunktur nun wieder stärker anläuft oder gar die Wirtschaft wegen der etwas billigeren Kredite mehr Leute einstellt, ist unklar. Immerhin sind niedrigere Zinsen dafür allemal besser als hohe. Und mit einem Satz in der hitzigen Zinsendebatte der letzten Wochen hatte Lafontaine recht: Er wolle niemanden in der EZB unter Druck setzen. Die einzigen, die unter Druck stünden, seien die Arbeitslosen. Reiner Metzger
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen