Kommentar: Verhüllte US-Botschaft
■ Die Kurden und die Sicherheit am Pariser Platz
Angstnummern setzen manchmal ungeahnte Energien frei. So auch im Falle der geplanten Amerikanischen Botschaft am Pariser Platz und deren Sicherheitsanforderungen. Da quälen sich der Senat und das State Department monatelang, ob und wie weit ganze Straßen verlegt werden sollen, um die Gefahr von Autobomben nahe der Vertretung auszuschließen. Der Bausenator winkt mit dem städtebaulichen Zaunpfahl. Die Vereinigten Staaten drohen zurück und wollen gleich den gesamten Pariser Platz als Hochsicherheitstrakt.
Nichts geht mehr. Und nun randalieren PKK-Kurden, ballern Israelis mit tödlichen Schüssen, und einem Stadthistoriker kommt eine Idee, wie man den gordischen Knoten lösen könnte. Michael S. Cullen, bekannt geworden mit einer Postkarte, in der er den Verhüllungskünstler Christo aufforderte, den Reichstag einzupacken, hat nun vorgeschlagen, einfach die Straßen rund um den Pariser Platz samt US-Botschaft zu Fußgängerzonen umzuwidmen.
Autos müßten draußen bleiben, die Amis könnten bauen, von Autobomben ginge keine Gefahr aus, und der Bausenator bräuchte keine Straßen mehr zu verlegen. Sicherheit pur also: für Fußgänger, Radfahrer und Botschafter.
Eine wahrlich gute Idee, Herr Cullen. Doch warum setzen wir dann nicht gleich den alten Vorschlag des einstigen Verkehrssenators Herwig Haase um, der einen Tunnel unter dem Brandenburger Tor hindurch forderte? Oder was ist mit der Idee der Bündnisgrünen, die ein ganzes verkehrsberuhigtes Regierungsviertel zwischen Spreebogen und Schloßplatz wollten? Alte Abgeordnete etwa, die nicht mehr ganz so flink auf den Beinen sind, könnten dann in aller Ruhe vom Reichstag zum Kaffeeplausch ins Adlon zockeln. Gefahrlos ohne Autoangst, ohne Bombenangst.
Aber gehen wir noch einen Schritt weiter. Denn nicht berücksichtigt hat Cullen neueste High- Tech-Rambos, die fußläufig mit Sprengstoff ganze Stadtviertel in Schutt und Asche legen können. Was dann? Geheimnisse sind unangreifbar, hat Goethe einmal gesagt. Da käme doch eine weitere Postkarte an Christo gerade gelegen. Denn was hinter der verpackten Botschaft ist, bleibt Geheimnis. Rolf Lautenschläger
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