Kommentar: Einer für alle
■ SPD aus Tal der Tränen herausgeführt
Profis wie Scherf wissen, daß der Wahlabend Überraschungen bringen kann. Stellen wir uns einmal vor, die FDP würde am 6. Juni wieder ins Landesparlament einziehen, mit 5,1 Prozent, die der SPD zur absoluten Mehrheit fehlen. Scherf plauderte vergnügt aus, er habe auch von der FDP schon ein Koalitionsangebot, „unter vier Augen“. Stellen wir uns vor, die SPD würde gestärkt und die CDU geschwächt aus der Wahl hervorgehen, aber ihre Koalition fortsetzen. Auch das wäre eine komfortable Lage für Scherf, zumal der Erfolg für Bremens Sanierung von der neuen Konstruktion des Länderfinanzausgleichs abhängt.
Stellen wir uns vor, FDP und AfB bleiben unter 4,8 Prozent und die durch die Bonner Koalitionswirren verunsicherten Grünen rutschen wie in Hessen ab – wäre dann die Fortsetzung der großen Koalition mit einer 90-Prozent-Mehrheit im Parlament überhaupt denkbar? Auch für diese – denkbare – Perspektive muß Scherf so tun, daß er im Grunde keinen Koalitionspartner braucht.
Der Landesparteitag der SPD hielt die Devise: „Keine Koalitions-aussage“ streng durch, das ist in jeder Hinsicht geschickt. Denn die SPD selbst ist zerrissen in dieser Frage, und jede Festlegung würde die andere Hälfte der Basis im Wahlkampf demotivieren. Und auch Stimmen kosten. Die Partei muß neben dem Landesvater möglichst wenig Profil zeigen. Das ist das Erfolgsrezept. Klaus Wolschner
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