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KommentarKein grober Keil

■ Warum Kriminalität durch Repression nicht abgeschafft werden kann

Selbstverständlich verkünden Zahlen nur bedingt die Wahrheit. Mit Statistiken kann alles belegt oder widerlegt werden, ganz nach Wunsch. Doch um zwei Aussagen kann sich niemand herummogeln, der die gestern veröffentlichte Hamburger Kriminalitätsstatistik 1998 interpretieren will: Die Zahl der Straftaten hat abgenommen, und das Bild, das Boulevardblätter und Rechts-Politiker von der Gewaltkriminalität zu malen pflegen, ist überzeichnet. Und damit falsch.

Genauso selbstverständlich gibt es keinen Anlaß zur Verharmlosung. Aber vor allem gibt es keinen Grund, die Ruhe zu verlieren. Kriminalität ist nun einmal spätestens seit Kain und Abel eine gesellschaftliche Erscheinungsform, und in Ballungszentren ist sie eben besonders hoch. Denn jedes Gemeinwesen produziert seine Straftaten und seine Straftäter selbst.

Mit Repression ändert man das nicht. Daran glauben nur diejenigen, die mehr oder minder offen von der Erlösung durch starke Männer, harte Hände, schmucke Uniformen und die so gern beschworene „volle Strenge des Gesetzes“ träumen. Draufhauen und wegschließen ist kein Rezept, das Besserung verspricht.

Kriminalität läßt sich vermindern durch Prävention und Aufklärung – und vor allem durch eine Sozial-, Bildungs-, Drogen-, Arbeitsmarkt- oder auch Wohnungspolitik, die diese Namen auch verdient. Gesellschaftliche Phänomene haben gesellschaftliche Ursachen, und viele davon ließen sich beheben. Aber nicht mit einem groben Keil auf dem behaupteten groben Klotz.

Sven-Michael Veit

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