Kommentar: Sippenhaft
■ Bundesverwaltungsgericht: PKK-Funktionäre haben keinen Anspruch auf Asyl
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich gestern vom Asylrecht als individuellem Grundrecht in einem weiteren Teilbereich verabschiedet. Es hat einen neuen Pauschalsatz erfunden, mit dem Asylbegehren als „offensichtlich unbegründet“ abgewiesen werden können. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht – außer sie sind Funktionäre der PKK. Aus einer absoluten Ausnahme vom ehemals unbeschränkten Schutz machten die Berliner Richter kurzerhand eine Regel, die nun für eine ganze Gruppe von Verfolgten gelten wird.
Mit seiner lapidaren Begründung bestätigte das Gericht nicht nur die Versagung von Asyl, sondern – erst einmal – auch den Schutz vor Abschiebung in die Türkei. Der Kurde, dessen Aufenthalt in Deutschland in Frage steht, stelle „aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland“ dar. Der Mann hatte keine Bomben geworfen. Er hatte „Spenden“ für die PKK eingetrieben, Demonstrationen organisiert und den Kontakt zur oberen Führungsebene aufrechterhalten.
Was er genau getan hat, war dem Gericht aber ohnehin egal. Ob er sich an gewalttätigen Aktionen beteiligt hat, spielte für das Gericht keine Rolle. Ihm reichte seine „Einbindung in die PKK als Funktionär der unteren Organisationsebene“.
Daß in Deutschland das Asyl nach Töpfchen verteilt wird und nicht nach individueller Gefährdung, ist nicht neu. Daß es versagt wird, obwohl seine Voraussetzungen sonst zweifelsfrei feststehen, unterscheidet diesen neuen groben Klotz aber von anderen, wie der Drittstaatenregelung.
Mit einem Grundrecht jedes einzelnen, wie es das Grundgesetz immer noch vorsieht, hat das nichts mehr zu tun. Auch wenn die Kurden wegen drohender Folter voraussichtlich nicht abgeschoben werden können – das Asylrecht selbst ist noch dünner geworden, nicht nur für die PKK. Denn die neue Regel mag genauso für die Tamil Tigers gelten oder für rein türkische Organisationen wie Dev Sol.
Dieses Urteil zeigt: Das Asylrecht ist schon lange kein „normales“ Grundrecht mehr. Aber auch wenn sich das Berliner Gericht in seiner Begründung ausdrücklich auf das Bundesverfassungsgericht beruft – in der Verfassung steht das alles nicht. Daß das Schicksal von Asylbewerbern nach Gruppen eingeteilt wird, ist alt. Sippenhaft ist neu. Gudula Geuther
Bericht Seite 8
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen