Kommentar: Die spezielle Berliner Mischung
■ Westopposition trifft Ostpazifismus
12.000 DemonstrantInnen in Berlin gegen die Nato-Bomben. In Frankfurt am Main waren es gerade mal 3.000 Menschen, die sich dem diesjährigen Ostermarsch angeschlossen haben. Die anderen Ostermärsche in der Republik kamen zusammen auf nicht so viele DemonstrantInnen wie jener in der deutschen Hauptstadt.
Gewiß, Berlin ist die weitaus größte Stadt der Republik. Das relativiert manche Zahl. Doch 10.000 OstermarschiererInnen, das ist eine Größenordnung, die im Vergleich nach Erklärung verlangt. Die Erklärung haben die DemonstantInnen selbst geliefert.
Auf der Straße waren neben einer großen Anzahl von SerbInnen vor allem KriegsgegnerInnen aus dem Ostteil der Stadt und aus der Region, altbewährte Friedensbewegte und linke Nato-GegnerInnen. Nirgendwo sonst in der Republik treffen die politischen Spektren so unmittelbar aufeinander wie hier in Berlin.
Längst belegen Umfragen, daß die Ablehnung des Krieges in Ex-Jugoslawien in Ostdeutschland entschieden größer ist als im Westen der Republik. Dennoch hatte sich dieser Pazifismus, sicher auch aus der Ost-Geschichte erklärbar, bislang nicht zum offenen Protest ausgeformt.
Auf der Hand liegt auch, daß in Berlin nach wie vor Opposition etwas fundamentaler buchstabiert wird als in weiten Teilen der Restrepublik. Nicht zuletzt der bündnisgrüne Anti-Kriegs-Vorreiter Christian Ströbele, grüner Bundestagsabgeordneter aus Berlin, ist dafür ein Beispiel.
Von der grünen Basis, die mit Parteiaustritten zu kämpfen hat, bis zu den Autonomen werden in dieser Stadt noch Positionen hochgehalten, die andernorts bereits der Vergangenheit angehören – etwa die Ablehnung der Nato und ihrer Kriegseinsätze. Auch die Positionen der Friedensbewegten und der Verweis auf das Völkerrecht finden im links geprägten Milieu Berlins stärker Gehör.
Wenn Ost und West, friedensbewegt und autonom aufeinandertreffen, dann hat das in Berlin schon immer zu einer besonders bewegten Mischung geführt. Auch wenn eine solche Mischung sicher keine wegweisenden Lösungen für die Situation auf dem Balkan liefert. Schon gar keine gemeinsame. Barbara Junge
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