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KommentarKein Aufenthalt, nirgends

■ Die Friedrichstraße wird zugebaut

Noch steht er da, der Park mit den seltenen Trompetenbäumen auf der Wiese und den Punks am Gehweg zur Friedrichstraße. Daß an dieser Stelle einmal das Hotel Central, zur Kaiserzeit eines der nobelsten Häuser der Stadt, und später das Varieté Wintergarten standen, wer weiß das heute noch? Den Park dagegen kennt jeder, gibt es doch sonst in der Friedrichstadt keine vergleichbare Grünfläche.

Ende diesen Jahres wird nun aber den Park jenes Schicksal ereilen, das in der südlichen Friedrichstraße bereits seiner Vollendung entgegeneilt. Orientiert am friderizianischen Straßenraster und der städtebaulichen Ideologie der kritischen Rekonstruktion wurde „rückgebaut“, was das Zeug hielt. Das zurückgenommene DDR-Lindencorso wurde abgerissen und mit einem neuen Corso blockrandgeschlossen. Die Rosmaringasse wurde abgerissen und durch ein Rosmarin-Karree ersetzt. Und selbst am Checkpoint Charlie machte die Ideologie des Klotzen statt Kleckerns nicht Halt. Das Ergebnis kennt jeder: Monotone Blöcke, monotone Straße. Nichts ist in der südlichen Friedrichstraße überraschend, alles ist absehbar.

Bislang hatte man sich noch in der Illusion wiegen können, als wäre die nördliche Seite des Boulevards, ohnehin die weitaus spannendere, davon ausgespart. Doch weit gefehlt. Die Bebauung des Trompetenwäldchens ist erst ein Anfang. Auch der Platz vor dem Hotel Unter den Linden wird, wenn der Rechtsstreit um das Grundstück erst beendet ist, zugebaut werden. Das gleiche gilt auch für die Flächen nördlich des Bahnhofs Friedrichstraße.

Zwar ist in der Vergangenheit viel über „Urbanität als Dichte“ oder das Planwerk Innenstadt als Lizenz zum Bauen diskutiert worden, inklusive der Aussage eines Staatssekretärs, der meinte, die Berliner brauchten kein Grün, weil sie eh zweimal im Jahr nach Mallorca fliegen. Doch nirgendwo werden die Schattenseiten dieser Ideologie deutlicher als in der nördlichen Friedrichstraße. Noch hat dieser Ort eine Aufenthaltsqualität auch für jene, die dort nicht nur kaufen oder reisen. Damit ist bald Schluß. Qualitäten wird der Ort dann gar keine mehr haben, weder für die Konsumenten noch für die Punks. Uwe Rada

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