Kommentar: Rückschritt
■ Stahmers Sprachförderung verhindert Integration
Kinder sind ein gutes Thema, um Stimmungen zu schüren. Ausländer auch. Nimmt man beide zusammen, hat man ein effektives Wahlkampfthema, das sich Grundschulreform 2000 nennt.
Wenn man auf die letzten zehn Jahre zurückblickt, ist eine Reform im Grundschulbereich auch angebracht. Erhöhung der Schülerzahlen, Kürzungen der finanziellen Ausstattung der Schulen und Kürzungen der Förderstunden für ausländische SchülerInnen sind nur einige Beispiele, die die Verschlechterung der Bedingungen im Grundschulbereich aufzeigen.
Unter den genannten Punkten brüstet sich Schulsenatorin Ingrid Stahmer in ihren neuen Plänen besonders mit der Verbesserung der Sprachförderung ausländischer SchülerInnen. Dabei kann gerade in den sogenannten Brennpunkt-Schulen von Verbesserung keinesfalls die Rede sein. Statt dessen werden Nichtdeutsche von Deutschen getrennt; Integration wird verhindert.
Bisher konnten die Schulen selbst entscheiden, wie sie die Mittel zur Sprachförderung einsetzten. Mit der Zweckbindung der Fördermittel wird den Schulen fortan diese Entscheidungsfreiheit genommen. Die Kinder sollen nicht mehr in kleinen Arbeitsgemeinschaften wie in der Garten-AG oder Zirkus-AG gemeinsam mit den deutschen SchülerInnen die hiesige Sprache erlernen, sondern nur noch im reinen Sprachunterricht. Dies bedeutet für ausländische SchülerInnen nicht nur, daß der spielerische Umgang mit der Sprache verlorengeht, sondern auch Segregation.
Die Pläne der Schulsenatorin sehen zudem vor, künftig auch Schulen mit geringem Ausländeranteil mit Fördermitteln zu versorgen. Doch ist es nicht fraglich, ob diese Schulen die Mittel überhaupt benötigen? Ein Schüler nichtdeutscher Herkunft wird sicherlich keine großen Probleme haben, die deutsche Sprache zu erlernen, wenn er im Unterricht sowie auf dem Pausenhof beinahe ausschließlich von deutschen Spielgefährten umgeben ist.
Die Grundschulreform ist nichts, woran man integrations- und bildungspolitische Erwartungen stellen könnte. Im Gegenteil. Sie ist mehr ein Rückschritt als ein Fortschritt. Songül Çetinkaya
Bericht Seite 29
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