Kommentar: Glasbruch
■ Das Kaufhaus Lafayette hat einen Plan
Die Aktion ist ziemlich durchsichtig: Die zerborstene Fensterscheibe beim französischen Kaufhaus Lafayette ist keineswegs auf „schlechte Glasqualität“ zurückzuführen, wie man der Öffentlichkeit weismachen will, sondern die Geschäftsführung hat mit Vorschlaghämmern nachgeholfen. Das war der erste Teil eines ausgeklügelten Plans, um der Konkurrenz in Sachen Sonntagsöffnung eins auszuwischen.
Schließlich hat der Kaufhof am Alexanderplatz mit der Störung der Sonntagsruhe einen Werbeeffekt erzielt, der mit dem Bußgeld billig erkauft worden ist. Lafayette wird die Sicherheitsbedenken wegen des Glasbruchs zum Anlass nehmen, um morgen früh die Scheiben zu entfernen – vor allem im Eingangsbereich.
Natürlich kann man das Kaufhaus dann nicht ungeschützt lassen. So werden die Verkäuferinnen und Verkäufer am Sonntag ihren Dienst antreten. Freilich müssen sie umdeklariert werden – der Kaufhof, der sämtliche Waren per Aufkleber zum „Berlin-Souvenir“ erklärte, hat es vorgemacht. Die Lafayette-Angestellten werden Anstecknadeln tragen, die sie als Sicherheitspersonal ausweisen. Weil die Angestellten auch am Sonntag essen müssen, bleibt die Lebensmittelabteilung geöffnet.
Den Berlinerinnen und Berlinern, die sich – aufgeschreckt durch die Meldungen über unzulängliche Glasqualität – vor Ort selbst ein Bild machen wollen, ist es nicht zu verdenken, wenn sie nach den erhitzten Diskussionen über den Scheibensalat ebenfalls Hunger bekommen. Und die Franzosen an sich sind ein gastfreundliches Volk. Die Kunden, die an der glaslosen Eingangstür per Aufkleber in „besorgte Freunde des Kaufhauses Lafayette“ umdeklariert werden, können eine Spende hinterlassen. Das gleiche gilt für die Übernahme nützlicher Utensilien wie Campingliegen, Eierpiker oder Stützstrümpfe. Man schickt Freunde ja nicht mit leeren Händen nach Hause. Die Knalltüten vom Kaufhof, die sich vom Oberverwaltungsgericht einschüchtern ließen und morgen geschlossen haben, können sich den bunten Einkaufstrubel im Lafayette auf der Videowand über dem Eingang ansehen: Die Glasbruchsicherheitsdiskussionen werden live übertragen. Ralf Sotscheck
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