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■ KommentarKonzeptlos  Schröder hat die SPD im Griff. Sein Problem liegt anderswo

Der Flügelstreit in der SPD ist, so Gerhard Schröder gestern generös, ein „familiärer Konflikt“. Klar ist dabei, wer Familienvorstand ist und wer zu gehorchen hat: Reinhard Klimmt, der den verwaisten Posten des linken Flügelmanns zaghaft für sich reklamiert hatte, nickte brav zu Schröders Worten. Das war ein bisschen mehr als die pflichtgemäße Demonstration, dass trotz alledem alle Sozialdemokraten hinter ihrem Kanzler stehen.

Schröders und Klimmts Auftritt verdeutlicht zweierlei: Der Aufstand gegen die Sparpolitik, den manche in Partei und Gewerkschaften vermuten, hat keine Substanz. Und: Schröders Rolle in der Partei ist unangefochten. Die Programmdebatte, die der Kanzler nun zusammen mit Scharping anführen will, dürfte ein Ventil für die Unzufriedenen werden. Die harte Politik aber wird weiter fern von der Partei im Kabinett gemacht, wo man sich um sozialdemokratische Wertedebatten nicht zu kümmern braucht.

Schröders Geringschätzung seiner Gegner in SPD und Gewerkschaften fußt (leider) auf der richtigen Analyse, dass diese über kein brauchbares Konzept verfügen. Ihr Widerstand richtet sich vor allem gegen Riesters Plan, die Renten zwei Jahre lang nur in Inflationshöhe ansteigen zu lassen. Damit machen sie sich zum Anwalt der Vox Populi – und stellen sich ins Abseits. Denn eine Anpassung der Renten nach unten ist, eingedenk der Altersentwicklung, unvermeidlich. Je später sie kommt, desto härter wird sie ausfallen.

Eine linke Opposition müsste Schröders Fixierung auf die Unternehmen und den rot-grünen Neoliberalismus light kritisieren. Doch Klimmt und der DAG-Chef Issen wettern ausgerechnet gegen das Richtige im Falschen der Sparpolitik: die alternativelose, langsame Anpassung der Renten an veränderte Verhältnisse.

In gewisser Weise ist diese Opposition in Schrumpfform eine Funktion der Schröderschen Medienpolitik: Sie zeigt dem Wahlvolk, dass der Sinn für Gerechtigkeit, den auch Leichtgläubige nicht beim Kanzler vermuten werden, immerhin in dessen Partei noch vorhanden ist.

Aber auch diese Arbeitsteilung wird Schröders Problem nicht lösen: Die Wähler mögen ihn immer weniger. So rächt sich der dramaturgische Fehler, dass die Regierung erst die Geschenke wie Kindergelderhöhung und Steuersenkungen verteilt hat und nun die Peitsche schwingt. Stefan Reinecke

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