■ Kommentar: Alternativlos? Das SPD-Desaster in Sachsen ist eine Quittung für Schröder
Vor ein paar Jahren titelte die taz bei den Berlinwahlen: „SPD deutlich über 5 Prozent“. Ein vorausschauender Kalauer, wenn man sich das Ergebnis der sächsischen SPD anschaut.
Das Fiasko von Dresden hat keine landespolitischen Gründe, zumindest nicht in erster Linie. Gewiss, mit Kurt Biedenkopf hatte es die sächsische SPD mit einer Figur zu tun, die perfekt zu den Wünschen östlicher Nachwendementalität passen mag: ein freundlicher Patriarch, der gute König, den die DDR nie hatte. Eine Erklärung ist dies, siehe Potsdam, nicht. Dort verlor Stolpe, der eine ähnliche Rolle in Brandenburg spielt, vor zwei Wochen. Auch dem sächsischen SPD-Mann Karl-Heinz Kunckel nun seine schroffe Antihaltung zur PDS anzukreiden hilft nicht. Richard Dewes zeigte sich vor einer Woche in Thüringen der PDS zugeneigt – das Ergebnis war fast ebenso niederschmetternd.
Nein, nicht die Ostseele und nicht die PDS haben der SPD dieses katastrophale Resultat beschert. Egal, was die SPD in den Bundesländern macht – sie macht es falsch. Denn die Wurzel des Desasters liegt in Berlin, in der Politik der Bundesregierung und insbesondere in der Verachtung Gerhard Schröders für seine Partei und ihre Klientel.
Schon wenn man sich das Mantra der rot-grünen Strategen vergegenwärtigt, die uns tapfer jeden Sonntagabend die Niederlage erklären, ahnt man, woran es liegt. Nein, das Sparpaket wird nicht geändert, nein, es gibt keine Alternative dazu, ja, man habe leider seine Botschaft nicht richtig vermittelt.
Doch wer seine Politik für alternativlos erklärt, vermittelt sie überhaupt nicht. Denn dann geht es nicht mehr um Politik im eigentlichen Sinne, die von Unterscheidungen und verschiedenen Möglichkeiten lebt, sondern um die Ausführung eines Sachzwangs. Alternativlos heißt: Es gibt keine Wahl. Warum, mag sich da mancher an der SPD-Basis fragen, soll man da noch wählen gehen?
Die deutsche Gesellschaft ist traditionell eher empfänglich für Verzichtsmoral. Allerdings nur wenn sie gut begründet und über den Verdacht erhaben ist, dass nur die Kleinen die Zeche zahlen. Das ist etwas mehr als jenes „Kommunikationsproblem“, als deren Opfer sich Müntefering & Co mittlerweile fühlen. Es gibt keine Alternative – so redet man auf einem sinkenden Schiff. Stefan Reinecke
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