■ Kommentar: Neoliberaler Sound ■ Werden die Grünen zu einer Klientelpartei?
Die grüne Margareta Wolf hat ein Wirtschaftspapier verfasst. Vieles darin klingt ganz vernünftig: Wer sich selbstständig macht, soll vorher keine teure Meisterprüfung absolvieren müssen. Die Läden sollen, bis auf sonntags, geöffnet sein – kleine Geschäfte sollen dabei bevorzugt, Konzerne benachteiligt werden. Das klingt ganz sympathisch – anderes, wie den zerzausten Flächentarifvertrag noch mehr zu flexibilisieren, weniger.
Störend wirkt indes die ideologische Überhöhung: Der Staat soll sich aus der Marktwirtschaft gefälligst heraushalten und aufhören, mehr Wachstum und Arbeitsplätze zu verhindern. Der Staat, der die arme Wirtschaft mit Gesetzen foltert – man kennt diese Schauerromantik aus neoliberalen Leitartikeln. Heute klingen auch grüne Wirtschaftspapiere so.
Das Problem ist nicht, dass die Grünen die Entbürokratisierung vorantreiben sollten. Doch wenn sie dies zu ihrem wesentlichen Projekt machen, wenn sie vor allem die Interessen von Existenzgründern und Jungunternehmern auf ihre Fahne schreiben, werden sie unglaubwürdig. Sie sinken zu einer Klientelpartei herab, die die materiellen Interessen Besserverdienender durchboxen.
Sounds like Guido Westerwelle. Warum engagieren sich die Grünen nur für mehr Flexibilität, aber nicht für Ideen, die Staat und Politik ins Recht setzen? Schließlich war Rot-Grün einmal das Versprechen, die zur Verwaltung herabgesunkene Politik wiederzubeleben. Und nicht für deren geordneten Rückzug zu sorgen.
Die Nagelprobe dafür ist gerechtes Sparen. Gekürzt wird vor allem unten: bei Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern. Finanztechnisch ist das kaum zu vermeiden – denn gut 40 Prozent des Haushalts werden für Soziales ausgegeben. Doch wenn der Staat nun faktisch seine Transferleistung einschränkt, ist es das Mindeste, auch denen oben etwas abzuverlangen – schlicht aus Gründen der Parität.
Auch von Bündnis 90/Die Grünen hört man nun immer wieder, dass weder eine Vermögensabgabe noch eine erhöhte Erbschaftssteuer etwas bringen würde. Selbst wenn das so ist, bleibt die Frage: Was sonst? Wenn die Regierung achselzuckend denen unten nimmt und die oben ungeschoren lässt, kann sie sich über fortgesetzte Wahlniederlagen nicht wundern.
Stefan Reinecke
Bericht Seite 7
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