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KommentarJubel ohne Folgen

■ Fußballsieg hilft Berliner Türken nur kurzzeitig

Galatasaray hat gewonnen. Und wie. Die Jubelschreie der Türken waren in der ganzen Stadt zu hören. Wer will ihnen das verübeln. Sie haben nicht nur Hertha mit 4:1 besiegt, sondern ganz Deutschland auf eigenem Boden geschlagen. Zum allerersten Mal.

Der Sieg von Galatasaray gleicht einem Befreiungsschlag für die Türken. Der türkische Meister hat für sie die jahrelange Ausgrenzung, den Spott, das Leben in der zweiten Liga wenigstens für eine Nacht wett gemacht – mit nur vier Fußballtoren. Endlich!

Und nun? Nichts weiter. Die Türken werden sich wieder in ihre Teestuben zurückziehen, weiterhin beim Landsmann einkaufen, sich wieder in der zweiten Liga verkriechen. Wobei alles wieder beim Alten wäre.

Viele Türken der ersten Generation haben es nicht für nötig befunden, sich der deutschen Gesellschaft anzupassen. Die meisten Gastarbeiter erlernten nicht einmal die deutsche Sprache. Man kann es ihnen kaum übel nehmen. Deutsche Sprache – schwere Sprache. Zumal die meisten von ihnen nicht damit rechneten, langfristig in Deutschland zu bleiben. Im Gegenzug hielt auch die deutsche Bevölkerung nicht viel davon, die Gastarbeiter im Land zur dauerhaft hier lebenden Bevölkerung zu zählen. „Wann kehrt ihr wieder zurück in die Heimat?“, gehört zu den Fragen, die jedem hier lebenden Türken schon mindestens einmal gestellt wurden.

Selbst die zweite und dritte Generation wird nach wie vor mit dieser Frage konfrontiert. Doch sollte eben diese Generation in der Lage sein, in einem guten Deutsch zu antworten: „Meine Heimat ist auch hier.“

Zu einem gesunden und dauerhaften Selbstbewußtsein der heranwachsenden Generation genügen die vier Tore von Galatasaray nicht. Die Kinder müssen allem voran die hiesige Sprache erlernen, um auf Fragen Antworten zu geben und dadurch Vorurteile zu beheben. Denn erst dann wären sie wirklich in der Lage zu entscheiden, für welchen Verein sie jubeln wollen. Ob das dann für Hertha BSC oder Istanbul oder auch die Bayern ist – oder ob sie die Tore von beiden Seiten bejubeln können, wäre dann egal. Songül Çetinkaya

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