Kommentar: Subkultur verhaftet
■ Warum die Zeit verschlafen hat, wer den Sprayer „OZ“ ins Gefängnis wünscht
Dem Zorn der Eigenheimbesitzer hat das Hamburger Landgericht gestern Rechnung getragen. Vielleicht können die nicht darauf vertrauen, dass „OZ“ auf ewig hinter Gittern verschwindet und sich nie mehr mit Sprühdose ihrer Fassade nähern kann. Immerhin aber wird der Sprayer Walter F. fast zwei Jahre einsitzen.
Worin sein krimineller Akt liegen soll, können wohl nur diejenigen verstehen, denen Eigentum das wichtigste Grundrecht und Sauberkeit das höchste Gut ist. Dieselben Kräfte haben auch die Hamburger Außenwerbungs-Firmen in ihrem Kampf gegen sogenanntes „Wildes Plakatieren“ unterstützt. Mit der Folge, dass nun mit Geldstrafen bis zu 100.000 Mark rechnen muss, wer ein Plakat an nicht ausdrücklich ausgewiesener Stelle festklebt.
Und mit der Konsequenz, dass ein wichtiges Stück Kultur in der Stadt verlorengeht. Ignorant ist, wer nicht zur Kenntnis nehmen will, dass Graffiti und Plakate ebenso in die Stadt gehören wie die Alster und die S-Bahn-Schienen. Viele Menschen beziehen ihre Informationen nicht nur aus der Zeitung, sondern über Plakate, Flyer und gesprühte Hinweise auf der Straße.
Das gefällt vielleicht nicht allen, aber so ist das eben heutzutage. Und nur weil manch Ewiggestrige sich in der Erinnerung an vergangene Zeiten einmauern, dürfen andere dafür nicht ins Gefängnis gesteckt werden. Einfarbig verputzte Fassaden mit Butzenscheiben sind schließlich auch nicht nach jedermenschs Geschmack – und trotzdem kein Haftgrund.
Elke Spanner
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